Burgtheater-Prozess geht weiter: "Wesentliche Fehldarstellungen"

Burgtheater-Prozess geht weiter: "Wesentliche Fehldarstellungen"
Ehemalige kaufmännische Geschäftsführerin des Burgtheaters vor Gericht.

Mit der Erörterung des Gutachtens des Buchsachverständigen Peter Wundsam ist am Montag am Wiener Landesgericht der Prozess gegen die ehemalige kaufmännische Geschäftsführerin des Burgtheaters, Silvia Stantejsky, fortgesetzt worden. Der Wirtschaftsprüfer ortete „wesentliche Fehldarstellungen“ bei der Bilanzerstellung in den Jahren 2008 bis 2013.

Wundsam bemängelte vor allem, dass unter Statejsky skartierte Produktionen - ausgelaufene Inszenierungen, die sich nicht mehr am Spielplan fanden - am Ende der jeweiligen Saison nicht abgeschrieben wurden. Man habe die betreffenden Stücke „wider besseren Wissens im Anlagevermögen behalten, obwohl sie nicht mehr aufgeführt wurden“, stellte der Gutachter fest. Damit sei „eine wirtschaftliche Nützungsmöglichkeit“ suggeriert worden. Diese Praxis habe dazu geführt, dass jährlich um bis zu 1,6 Mio. Euro erhöhte Aktiva ausgewiesen wurden. Insgesamt wurden laut Wundsam mit dieser Methode zwischen 2009 und 2013 über 3,4 Mio. Euro fälschlicherweise in der Bilanz dargestellt.

Stantejsky hatte beim Verhandlungsauftakt im vergangenen November ihr Vorgehen damit gerechtfertigt, dass die Dekoration und die Kostüme bei skartierten Produktionen nicht vernichtet wurden und am Burgtheater nicht mehr programmierte Inszenierungen an andere Spielstätten verkauft hätten werden können. Wundsam fand jedoch keine Belege, dass es abgesehen von einer Produktion - „Der Weibsteufel“, mit dem der derzeitige Burgtheater-Direktor Martin Kusej im Herbst 2008 die Kritiker begeisterte - dazu gekommen wäre.

„Wesentliche Fehldarstellungen“ kreidete Wundsam der Angeklagten auch im Zusammenhang mit „Kostenaktivierungen“ an, die Stantejsky mittels Excel- oder Word-Sammellisten belebt hatte. In diesen Fällen sei ein Einzelnachweis der behaupteten Kosten nicht mehr möglich. Auch bei Personalrückstellungen wurde dem Sachverständigen zufolge nicht den üblichen Usancen entsprechend vorgegangen. Bei Urlaubs- und Zeitausgleichrückstellungen in der Technik wurden demnach bis zu 1.500 Stunden pro Jahr nicht berücksichtigt. Wundsam nannte das „unternehmensrechtlich nicht zulässig“. Regelmäßig wurden laut Gutachten außerdem Sozialversicherungsbeiträge und Abzugssteuern nicht abgeführt.

Das alles bewirkte „ergebniswirksame Fehldarstellungen“, die allein 2009 vier Mio. Euro ausmachten, hielt der Wirtschaftsprüfer fest. Insgesamt wies das Burgtheater ab 2008 bis 2011 eine jährliche Bilanzsumme zwischen 27,5 und 33 Mio. Euro aus. Danach gab es massive Rückgänge aufgrund von Bilanzverlusten und verringertem Anlagevermögen.

Stantejsky war im bisherigen Verhandlungsverlauf zu den - was die Strafdrohung betrifft - zentralen Vorwürfen der Anklage teilweise geständig, hatte jedoch eine persönliche Bereicherung bestritten. Die inkriminierte Bilanzfälschung hatte sie in Abrede gestellt. Ihre Mandantin habe zwar die finanzielle Lage beschönigt und „Fehldarstellungen“ vorgenommen, betonte Verteidigerin Isabell Lichtenstrasser. Die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ziehe daraus aber die falschen Schlüsse. Stantejsky sei es darum gegangen, „die miese finanzielle Lage des Burgtheaters zu bewältigen“ und das Ansehen des Hauses hochzuhalten. Sie habe - wenn auch nur am Papier - die Vorgaben der Bundestheater-Holding umsetzen wollen, von der eine „schwarze Null“ verlangte wurde. Dass das in der Realität nicht möglich war, „war allen Beteiligten sonnenklar“, so Lichtenstrasser.

Am Montagnachmittag soll noch ein psychiatrischer Sachverständiger zu Wort kommen. Die Verteidigerin hatte die Beiziehung eines solchen verlangt, um überprüfen zu lassen, ob Stantejsky im inkriminierten Zeitraum überhaupt diskretionsfähig und damit herabgesetzt schuldfähig oder gar zurechnungsunfähig war. Ihren eigenen Angaben gemäß litt Stantejsky unter schweren psychischen Problemen, die aus beruflicher Überforderung resultierten. 2011/2012 habe sie von ihrem Psychiater fünf Medikamente verschrieben bekommen, darunter zwei schwere Psychopharmaka, hatte sie vor Gericht offen gelegt. Im September 2013 habe sie während eines dienstlichen Aufenthalts in Berlin ihrem Leben ein Ende setzen wollen. Ein Burgarbeiter-Mitarbeiter sei aus Wien herbeigeeilt, um sich ihrer anzunehmen.

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