Wenn „Gutmenschen“ gutes tun wollen, kann das ziemlich schiefgehen. So auch an der elitären amerikanischen Privatschule „Eureka“, in der sich der fünfköpfige Schulbeirat zu regelmäßigen Sitzungen trifft. Alle Entscheidungen sollen immer nur im Konsens getroffen werden. Diversität wird hier groß geschrieben. Ebenso wie Dinkelkekse, gesunde Ernährung, die Achtung der anderen, die Rettung des Weltklimas und vieles mehr.
Es soll keine Barrieren mehr zwischen den Menschen geben. Man träumt von einer schönen, gerechten, glücklichen, in Wahrheit unendlich spießigen, ja genormten Welt und hat viel Zeit, darüber zu diskutieren. Dass diese Idee der Gleichheit aller Schülerinnen und Schüler nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand. Denn die elitäre Schule nimmt von den Eltern der Zöglinge viel Geld. Wer sich das nicht leisten kann, muss draußen bleiben. Doch vorerst ist das egal. Dinkelkekse sind bei dieser Art Feldenkrais-Seminar eben wichtiger.
Mumps
Bis, ja bis plötzlich Schülerinnen und Schüler an Mumps erkranken. Die Gesundheitsbehörde gibt einen Erlass heraus. Nur wer geimpft ist, darf weiter am Unterricht teilnehmen. Und die Fassade bröckelt. Die Mitglieder des Schulbeirats versuchen, die Situation zu überspielen, die Eltern zu beruhigen, doch die Harmonie ist dahin.
Etwa bei Suzanne, der Leiterin des Gremiums, die von Regina Fritsch mit einer wunderbaren Leutseligkeit gespielt wird, die aber auch sehr hinterlistig ihre Krallen ausfahren kann. Oder bei Eli (Maximilian Pulst) und May (Lilith Häßle), die ihre Affäre verbergen wollen. Auch bei Carina (Zeynep Buyrac), die Suzanne bald zum Machtkampf herausfordert. Nur der Alt-Hippie Don (furios-witzig: Markus Hering) setzt alle Hebel in Bewegung, um diese Mumps-Pandemie in den Griff zu bekommen.
Weitsicht
Pandemie? Ja, da war doch leider etwas. Mit fast prophetischer Weitsicht hat Jonathan Spectre seine Tragikomödie bereits im Jahr 2018 geschrieben. Corona kam bald danach. Das zeigt auch Regisseur Jan Philipp Gloger, der im guten Klassenbühnenbild samt Tafel und unzähligen Sesseln von Marie Roth am Ende zu einem Kunstgriff greift. Stand zu Beginn noch auf der Tafel: „Willkommen im Schuljahr 2018/’19“ so steht nach Ende der (fiktiven) Epidemie geschrieben: „Willkommen im Schuljahr 2019/’20. Der Anfang der realen Corona-Pandemie!
Das alles ist klug gedacht, klug gemacht und vor allem von allen fünf Protagonisten hinreißend gespielt. Höhepunkt ist dabei ein via Internet abgehaltenes „Community-offenes Dialogforum“, das völlig aus dem Ruder läuft und dazu per Video (Florian Dolzer) Chats zeigt – also den ganz normalen Eltern-Wahnsinn .
Diese Szene (nach etwa einer Stunde des zweistündigen, pausenlosen Abends) ist zum Brüllen komisch, bitterböse und der absolute Höhepunkt der Aufführung.
Diskussionen
Danach franst das Unternehmen stückbedingt aus. Es gibt unzählige Diskussionen zwischen den Impfbefürwortern und den Impfgegnern. Aber auch das Weltklima, die Umweltverschmutzung, vegane Ernährung, etc. werden zu Themen. Dies erinnert an eine viel zu lange ORF-Sendung à la „Im Zentrum“, zumal man all das schon hundert Mal live gehört hat. Nur, dass am Theater nicht geschrien wird. Viel Applaus. Und jetzt bitte nichts mehr über Pandemien!
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