Burgtheater: Der Tod ist zum Totlachen

Joachim Meyerhoff als "Argan"
Herbert Fritschs hinreißend infantile Inszenierung von Molières "Eingebildetem Kranken" feiert die Heilkraft des Lachens.

Molières berühmtes Stück "Der eingebildete Kranke" ist nicht weniger als der Versuch, den Tod auszulachen. Ständig wird zum Schein gestorben und dann doch weitergelebt. Die Todeskrankheiten der Hauptfigur sind pure Hypochondrie, was auch jeder weiß, nur nicht die Hauptfigur selbst.

Verkörpert wird der Tod im Stück durch die Ärzte. (Diesen Trick kennt auch der Kabarettist Andreas Vitasek, der den Tod als Handpuppe im Ärztekittel in seinen Programmen auftreten ließ.) Molière macht die Ärzte nach Kräften lächerlich. Regisseur Herbert Fritsch nimmt dieses Lächerlichmachen in seiner Inszenierung im Burgtheater sehr ernst: Ihre Kittel, die traditionelle Uniform des Ärztestandes, wirken wie Zwangsjacken, sie klappern mit ihren überlangen Fingernagelkrallen, während ihnen der Patient in Erwartung der Klistierspritze das Hinterteil entgegenreckt.

Es ist das große Verdienst von Fritschs hinreißend blöder, unwiderstehlich infantiler, wohltuend unsubtiler Inszenierung, dass sie tatsächlich den Sieg des Lachens über die Angst feiert. "Heiltheater" nannte Fritsch im KURIER-Interview seine Arbeit, und betonte, er wolle den Terroristen den "Freiraum" des Theaters entgegensetzen. Das ist ein völlig richtiger Gedanke: "Terror" bedeutet übersetzt Angst, und Angst ist humorlöslich.

Marionetten

Getreu seinem Motto "Wenn schon plump, dann richtig plump" lässt Fritsch nichts aus, was an dadaistischen, kindischen, subversiven Gags, Wortspielen und derbem Slapstick so in der Gegend herumliegt. Das alles wird aber so überzeugend dargeboten – Beispiel: Joachim Meyerhoffs minutenlanges Ringen mit einem widerspenstigen Cembalo – dass man schon ein tiefgläubiger Jünger des heiligen Ernsts sein muss, um sich der Wirkung dieses Kasperltheater-Hochamts zu entziehen. Fritsch lässt die Menschen zappeln und taumeln, wie Marionetten an den Fäden eines besoffenen Puppenspielers. Vielleicht sind wir das ja eh.

Die Truppe um den virtuosen Meyerhoff und den zu Recht umjubelten Einspringer Markus Meyer stürzt sich mit Begeisterung in die noble Aufgabe des seriösen Blödelns. Laurence Rupp liefert eine schöne Studie der österreichischen Sprachverbiegung; Dorothee Hartinger erkundet mit Verve alle Möglichkeiten, Silben absichtlich falsch zu betonen; Simon Jensen ("Ich bin der Thomas!") spielt einen herrlich tölpelhaften Möchtegern-Schwiegersohn; Ignaz Kirchner ist ein hinreißender tragischer Clown ... das ganze Ensemble spielt wunderbar.

Es ist lustig

Bei Andreas Vitasek diagnostiziert der Arzt dem Patienten eine tödliche Tröpfcheninfektion namens "Leben" und schlägt zur Behandlung vor: "Sie können saufen." Der Patient: "Und das hilft?" Der Arzt: "Nein. Aber es ist lustig." Exakt das ist der Kern dieses Stücks, den Herbert Fritsch instinktiv erfasst hat: Den Tod zum Totlachen finden.

Molière starb bei der vierten Vorstellung des "Eingebildeten Kranken". Das Publikum soll Szenenapplaus gespendet haben.

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