Veränderungen hat Gitai bewusst keine vorgenommen. Was dazu führt, dass man die Diskrepanz zwischen dem – so der Regisseur im Programmheft – „wahrhaften Bemühen“ von Rabin um einen Frieden und dem „grausamen Krieg heute“ noch viel deutlicher empfindet.
Gitai stößt sein Publikum, das vielleicht nur eine vage Ahnung vom Osloer Friedensprozess (ab 1993) zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation unter Jassir Arafat zur Lösung des Nahostkonflikts hat, brutal ins Wasser. Zumal er mit dem Jom Kippur-Krieg (1973) beginnt, um sich vorzustellen: Er wurde zum Militär eingezogen und verletzt, weil eine Rakete den Hubschrauber mit ihm an Bord traf.
Doch schon bald hat Leah, die Witwe nach Jitzchak Rabin, das Wort. Mit ihr erlebt das Publikum den letzten Tag des Premierministers mit, der von Netanjahu und den Rechten geradezu verteufelt wurde: Sie bezeichnet diese als „Unkraut“ – und da reißt es jeden, der die Diktion des NS-Regimes kennt. Doch es geht rasant weiter: zur Kundgebung in Tel Aviv, bei der Rabin eine denkwürdige Rede hielt: „Der Weg des Friedens ist dem Weg des Krieges vorzuziehen. Ich sage euch dies als jemand, der 27 Jahre lang ein Mann des Militärs war.“
Keine Platzpatronen
Unmittelbar danach fielen Schüsse. Nein, es waren keine Platzpatronen gewesen. Leah Rabins Bericht zwischen Hoffen und Bangen, vorgetragen von Dörte Lyssewski an einem langen Tisch, berührt zutiefst. Immer wieder treten die Sopranistin Magdalena Hallste und der Wiener Kammerchor auf. Zusammen mit vier grandiosen Musikern bestreiten sie ein Requiem mit Britten, Ravel, Ligeti etc.: Von Alexey Kochetov (der seiner Geige kreischende, an eine E-Gitarre erinnernde Töne entlockt) erklingt unter anderem „Lament for Yitzhak“.
Dann beginnt Gitai nochmals – um die politische Situation Anfang der 90er-Jahre und die brutale Siedlungspolitik Israels zu erklären: Die Palästinenser im Westjordanlands waren im großen Stil enteignet worden. Rabin bekannte eine Mitschuld ein, er wollte Gerechtigkeit widerfahren lassen, was Netanjahu und der Likud Partei gegen den Strich ging: „Mit Blut und Feuer werden wir Rabin vertreiben.“ Die Anhänger skandierten: „Tod für Rabin.“ Und Jigal Amir erschoss ihn mit seiner Beretta 9 Millimeter. Tiefe Betroffenheit nach rund 100 Minuten und Standing Ovations.
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