„Das weite Land“ zeigt Menschen, die das Leben als Spiel begreifen, das man gewinnen muss. Ist das zeitgemäß?
Absolut. Ich bin selber überrascht, wie großartig Schnitzler Beziehungen analysiert hat. Auch in ihrer Brutalität. Alle wollen immer das Beste, aber es funktioniert halt nicht.
Wir Österreicher glauben ja, ganz genau zu wissen, wie man Arthur Schnitzler spielen muss.
Ich bin keine Österreicherin. Beim ersten Lesen dachte ich, es ist wahnsinnig verschnörkelt und romantisierend. Mein Lieblingssatz ist ja: „Ich möchte wieder einmal kraxeln.“ Ich liebe das Wort „Kraxeln“, weil es plötzlich so rausbricht aus der Düsternis. Dadurch, dass wir so verknappt haben, durchschneiden wir dieses Österreichische, befreien wir das Stück von einem gewissen Kolorit.
Sie spielen die Erna, eine starke, junge Frau.
Der Begriff starke Frau gehört abgeschafft. Oder impliziert Frau sein per se Schwäche? Ja, ich spiele eine junge, selbstbewusste Frau. In der Beschreibung steht „ehrlich, bis hin zur Unbedenklichkeit“. Und das ist sie wirklich. Sie ist schnell im Denken, eine Menschenkennerin und Forscherin, und am Ende fällt sie tief, wie alle in diesem Stück.
Sie verkörpert die Jugend.
Ja, aber gleichzeitig hat sie etwas Altes an sich. Sie weiß alles, auch, dass der Erste Weltkrieg unmittelbar bevorsteht – es fällt ja auch der erste Schuss am Ende.
Wie ist die Zusammenarbeit mit Michael Maertens, der den Hofreiter spielt?
Gut! Ich bin neu hier, ich lerne alle kennen, und die mich auch. Es ist ein Tasten und miteinander Probieren.
Waren Sie zu Beginn eingeschüchtert vom berühmten Burg-Ensemble?
Ich bin ja nicht nur neu, ich komme auch in ein anderes Land und eine andere Stadt. Wien ist eine Kunst- und Kulturstadt, eine Lebe- und Genussstadt. Ich komme aus Stuttgart, das ist etwas ganz anderes. Ich bin froh, hier zu sein, ich bin neugierig. Ja, natürlich ist es einschüchternd, alleine dieser Raum hier (sie sieht sich im „Erzherzogzimmer“ des Burgtheaters um, wo das Interview stattfindet). Aber letztlich bleibt die Arbeit, die Suche, die gleiche, das Zweifeln am Beruf.
Ist Zweifeln für Sie typisch?
Ja, es ist halt eine Wanderung. Du hast Gipfel, du hast Täler, du brauchst beides. Es bleibt eine Suche.
Die Wiener sind vernarrt in ihre Schauspieler. Burgtheater-Schauspielerin ist hier ein Adelstitel.
Wenn du in Berlin eine freischaffende Schauspielerin bist, heißt das, du kriegst auf keinen Fall eine Wohnung. Wenn du in Wien sagst, du bist Schauspielerin am Burgtheater, hast du die Wohnung sofort. Es ist wirklich toll. Deutschland ist mehr auf Kritik eingestellt als auf Genuss.
Sie haben schon als Kind mit dem Schauspielen begonnen?
Meine Eltern haben mir damals gesagt, tu das, was dich glücklich macht. Einen Satz, für den ich immer dankbar sein werde. Mit 16 habe ich dann gesagt, ich mag diese oberflächliche Welt nicht, ich mache mein Abitur und studiere Jura. Daraus ist aber nichts geworden, denn irgendwann ist mir wieder ein Reclam-Heft in die Hand gefallen. Und ich habe gesagt, ich gehe vorsprechen (lacht). Es hat mich einfach nicht losgelassen.
Es wird derzeit viel diskutiert über den Umgang miteinander am Theater. Vor allem Schauspielerinnen berichten über patriarchale Strukturen, verbale Gewalt, Übergriffe. Ändert sich da etwas?
Wir alle kriegen mit, dass sich patriarchale Strukturen verändern. Es wird auf jeden Fall versucht, wie bei Schnitzler auch. Wir wollen uns bemühen, wir wollen anders miteinander kommunizieren und arbeiten. Und es gibt Leute, die das wollen – und dann gibt es andere, die meinen: Du machst, was ich will.
Wehren Sie sich im Anlassfall?
Wehren ist meine Überlebensstrategie. Und die des Theaters. Das ist unsere Aufgabe. Sehen, verstehen, ändern. Am besten gemeinsam, kollektiv. Das ist die Chance, die das Theater hat! Und damit werden wir nicht aufhören!
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