Bundestheater-Bilanz: Auslastung gesunken, Reserven gestiegen
Was derzeit in der Wiener Staatsoper abgeht: „Das ist Rock ’n’ Roll!“ So sagt man.
Um die Vorstellung von „Die tote Stadt“ am Montag bestreiten zu können, musste es gar fünf Umbesetzungen geben. Der Dirigent fiel kurzfristig, um 15 Uhr, wegen Covid aus, zudem der Tenor Klaus Florian Vogt. Dessen Partie ist aber derart schwierig, dass sie nur von wenigen Sängern beherrscht wird. Es gab daher kein „Cover“ aus dem Ensemble. Hektische Telefonate folgten. Jonas Kaufmann wäre natürlich infrage gekommen, aber er hätte es nicht zeitgerecht aus München nach Wien geschafft. Doch Norbert Ernst konnte – welch ein Glück! – einspringen: Er sang, weil er die Inszenierung nicht kannte, von der Seite, und der Regieassistent spielte.
Im Burg- und Akademietheater geht es ähnlich turbulent zu. Allein im Jänner gab es 20 Vorstellungsänderungen. Die Disposition ist bis zum Äußersten gefordert, eine Entspannung nicht in Sicht. Gegenwärtig verzeichnet man bei den Bundestheatern, zu denen auch die Volksoper gehört, 150 positive Coronafälle. Hinzu kommen verordnete Quarantänen und Betreuungspflichten. In Summe seien also derzeit rund 200 Menschen nicht regulär einsetzbar.
„Im dichten Nebel“
Daher klaffte auch eine Lücke bei der Bilanzpressekonferenz am Donnerstag: Christian Kircher, Chef der Holding, konnte sie nicht mit beiden Stellvertreterinnen, sondern nur mit Annamaria Šikoronja-Martines bestreiten. Und seine optimistische Weltsicht war aufgrund fehlender Planungssicherheiten leicht eingetrübt: „Wir wissen schlicht nicht, wo der Horizont liegt. Manchmal fahren wir im dichten Nebel und sehen nicht, wo die Kante ist.“ Völlig unklar sei zum Beispiel, welche Auswirkungen die von Bundesregierung verkündeten Freiheiten ab 5. März haben werden. Denn: „Wie wird Wien auf die Öffnungsschritte reagieren?“
Auch wenn der Kartenverkauf jetzt anzöge, sind die Zahlen der laufenden Saison eher deprimierend: Die Auslastung liege, gemessen an der Höchstgrenze des Erlaubten, im Burg- samt Akademietheater wie in der Volksoper bei 58 Prozent, in der Staatsoper bei 80 Prozent.
Im Vergleich sei, sagte Kircher, die Saison 2020/’21 trotz Pandemie „ein glückliches Jahr“ gewesen. Die Umsatzerlöse sanken zwar aufgrund verordneter Schließzeiten und Kapazitätsbeschränkungen von auf 53,7 (in der Saison 2019/’20) auf 20,15 Millionen Euro. (Zum Vergleich: 2018/’19, im letzten coronafreien Geschäftsjahr, hatten die Umsätze 61,3 Millionen ausgemacht.) Aber die Coronahilfen betrugen – etwa für die monatelange Kurzarbeit – insgesamt satte 41,6 Millionen Euro.
Daher erzielten Burgtheater und Volksoper sogar Jahresüberschüsse in der Höhe von 7,31 beziehungsweise 5,72 Millionen. Nur die Bilanz der Staatsoper, die aufgrund der Schließzeiten den normalerweise hohen Eigendeckungsgrad nicht halten konnte, weist ein negatives Jahresergebnis (in der Höhe von 2,5 Millionen Euro) aus.
„Uns geht es gut“
Auf das Gesamtergebnis wirkt sich das aber nur marginal aus: Die Reserven stiegen in Summe um 10,86 auf 72,48 Millionen Euro. „Das klingt nach einem großen Luxus, uns geht es auch gut“, gestand Kircher auch ein. Heuer werden zwar die großen Unterstützungsmaßnahmen auslaufen, aber die Basisabgeltung wird um 13 Millionen Euro erhöht, die nächste Drei-Jahres-Planung sei daher quasi gesichert.
Und dann berichtete Kircher von einem Schreckmoment, der sich bereits im März 2021 zugetragen hatte: Nach einem Cyberangriff, der aber aufgrund des ausgesetzten Kartenverkaufs folgenlos blieb, war die IT für zehn Tage lahmgelegt. Es seien keine Daten abgesaugt worden, so Kircher, und man hätte auch kein Lösegeld bezahlt: Die rund 1.000 Computer wurden neu aufgesetzt. Und weil er in weiser Voraussicht eine Versicherung abgeschlossen hatte, sei dem Konzern auch kein finanzieller Schaden entstanden.
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