"Buhlschaft" Reinsperger: „Das hat mich sehr, sehr mitgenommen“
Alljährlich geht es in Salzburg um zwei Dinge: Die Kunst in ihrer (hoffentlich) höchsten und (vielleicht) teuersten Form. Und um das Kleid der Buhlschaft.
Seit 2017 spielt Stefanie Reinsperger diese überaus aufgeladene Rolle. Und der letzte Sommer war für die Schauspieler im „Jedermann“ ein speziell herausfordernder: Denn in wenigen Wochen wurde rund um den neuen Hauptdarsteller Tobias Moretti überraschend eine Neuinszenierung auf die Beine gestellt.
KURIER War der “Jedermann“ im letzten Jahr zur Premiere nicht fertig?
Stefanie Reinsperger: Nein, das würde ich nicht sagen. Etwas Unfertiges hätten wir nicht gespielt. Wobei ich sagen muss: Bei der Premiere beginnt für mich eine Reise erst.
Aber heuer wurde viel an der Produktion gearbeitet. Was war denn dann nötig?
Ich weiß nicht, ob sich die Menschen vorstellen können, was für ein Druck auf uns allen gelastet hat. Es war unbeschreiblich. Auch da galt: Das muss jetzt völlig neu erfunden werden. Mit diesem Riesenrucksack jeden Tag zur Probe zu gehen, lässt dich ins Schwitzen kommen. Die Entscheidung war glaub ich richtig, zu sagen, wir werden uns vom Regieteam verabschieden. Ich finde das sehr mutig von der Leitung. Heuer spulen wir das nicht einfach wieder ab. Sondern wir sehen das als Chance, nochmal in die Szenen hineinzuschauen. Jeder hat für sich nochmal gesucht. Wir haben richtig reingeackert. Es ist alles im positiven Sinne anders dieses Jahr.
Wie gehen Sie denn zum zweiten Mal in die Rolle der Buhlschaft?
Ich möchte mehr Spaß haben. Ich habe mich freiwillig entschlossen, heuer hier zu arbeiten. Ich freue mich auf die Zeit, auf die Kollegen.
Was war denn im Vorjahr anders?
Letztes Jahr habe ich mich von dieser Erwartungshaltung – was diese neue Schauspielerin aus den letzten Venen dieser Rolle noch herauspressen kann – überrennen lassen. Abgesehen von meinem Aussehen.
Sie spielen auf das Frauenbild an, das hier Jahr für Jahr diskutiert wird.
Finden Sie? Ich finde, es gibt vor allem eine Diskussion über das Kleid.
Beim Kleid gibt es doch eher eine Bewertung als eine Diskussion. Aber rundherum wird brav diskutiert, ob das noch zeitgemäß ist, insbesondere, wie die Buhlschaft sein muss.
Aber es ist doch toll, was in ihrer letzten Szene steht: Es ist total stark und total zeitgemäß, dass diese Frau sagt, ,wie kannst du eigentlich so mit mir reden? Ich dachte wir lieben einander? Ich muss mein Leben führen. Und wenn wir das nicht zusammen tun können, bricht mir das zwar das Herz, dir das zu sagen. Aber dann muss ich mein Leben alleine führen.’ Das liebe ich an dieser Figur, das ist wunderschön. Und der Abend macht bewusst: Wenn wir gehen, dann nehmen wir nichts mit. Nackt und bloß gehen wir aus dieser Welt. Was bleibt, sind die Begegnungen, die Menschen mit uns hatten, die Taten, die wir vollbracht haben. Das kannst du doch jedes Jahr erzählen!
Wie viele Jahre wollen Sie es denn noch erzählen?
(lacht) Ich erzähle es mal dieses Jahr.
Aber wie öffentlich mit der Buhlschaft umgegangen wird – die Reduktion aufs Optische, aufs Kleid – passt das in die Zeit der #MeToo-Debatte?
Dass die Themen dieser Debatte mehr Aufmerksamkeit bekommen, finde ich ganz wichtig, und ich glaube, es ist erst der Anfang. Man darf nicht aufhören, darüber zu sprechen. Wie letztes Jahr hier über mein Aussehen geschrieben wurde, das hat mich sehr, sehr mitgenommen. Da ist es mir egal, ob es eine Tradition ist – man kann doch nicht so über Menschen schreiben! Egal, ob über Männer oder Frauen.
Und in der Branche selbst? In Machtpositionen in der Kultur sind zum überwiegendsten Teil Männer.
Ich habe erst mit einer Regisseurin gearbeitet. In der Generation, die jetzt viel arbeitet, haben viel weniger Frauen Regie studiert. Das ist heute anders.
Derzeit aber gibt es noch viele Regisseure, von denen man hört, dass sie laut werden, Menschen direkt angreifen, fertig machen. Muss das sein, ist das Teil des Prozesses?
Ich war zum Glück noch nie in so einer schlimmen, wirklich emotional übergriffigen Situation. Wenn man ständig so arbeitet, macht dich das kaputt. Aber Proben sind so ein fragiler Prozess, ein eigener, merkwürdiger Mikrokosmos. Es wird unter Kollegen die Sprache manchmal ein bisschen härter, weil man unbedingt wohin kommen will. Ich wünsche mir, dass mir bei den Proben Freiraum eingeräumt wird. Genauso räume ich den meinem Gegenüber auch erstmal ein. Meine intensivste Begegnung war sicher mit Frank Castorf. Aber es ging da immer um die Sache. Ich hatte nie das Gefühl, mich nicht wehren zu können. Es ist aber sehr schwierig, hier eine Regel zu finden, Parameter, unter denen wir Kunst machen. Ich bin ganz generell immer wieder schockiert, wie respektlos wir Menschen im Allgemeinen miteinander umgehen. Warum reden wir manchmal mit Flugbegleitern so? Die sind die letzten, die etwas dafür können, dass das Flugzeug nicht kommt. Vielleicht hilft die Debatte, in allen Bereichen respektvoll zu sein.
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