Budapest: Kulturkampf im Neuen Theater

Budapest: Kulturkampf im Neuen Theater
Ein extremer Rechter als Theatermacher: Intendant György Dörner hat sein Amt in Budapests Neuem Theater angetreten – und sofort für Tumulte gesorgt.

Zwei große rote Nullen prangten am Mittwoch auf der Frontseite des renommierten Neuen Theaters in Budapest – ein Protestzeichen des Ensembles, dass aus ihrer Sicht die Stunde null begonnen hat: Mit Monatsbeginn übernahm der extreme Rechte und Schauspieler György Dörner (58) die Leitung des bisher liberalen Theaters – gegen den Willen der Schauspieler, gegen die Empfehlung einer mehrköpfigen Fachkommission und gegen den Protest zahlreicher Kulturschaffender in Ungarn, aber auch im Ausland. Dörner, der in seiner Bewerbung versprochen hatte, er werde „mit der krankhaften liberalen Hegemonie“ aufräumen und nur noch ungarische Stücke spielen, war vom konservativen, der Regierungspartei FIDESZ angehörenden Oberbürgermeister Istvan Talos ins Amt gehievt worden.

"Freiheit der Kunst"

Budapest: Kulturkampf im Neuen Theater

Schon der erste Abend im Amt des neuen Theaterdirektors begann turbulent. In Erwartung wütender Zusammenstöße von Anhängern und Gegnern Dörners hatte die Polizei bereits Stunden vor der angesagten Demo begonnen, die Straßen rund um das Jugendstiltheater abzuriegeln. An die hundert jugendliche Rechtsextremisten marschierten auf, einige von ihnen in Uniform der verbotenen Ungarischen Garde. Ihr Ziel: „Die Freiheit der Kunst“ verteidigen. Ihr Mittel: wüste Brüllereien und

Beschimpfungen in Richtung der rund 200 Gegendemonstranten, die wiederum gegen Dörner protestieren.

„Eine Schande ist das“, brummte ein zufällig vorbeikommender älterer Herr, „der bisherige Direktor Istvan Marta hat das Haus 13 Jahre lang tadellos geführt. Ich war oft hier, aber jetzt komme ich nicht mehr.“ Der massive Polizeieinsatz, vor allem aber die klirrende Kälte trieben die Demonstranten beider Seiten bald wieder auseinander.

Doch der politische und kulturelle Schaden bleibt. Budapest Neues Theater gilt fortan als Symbol für die rechte Kulturrevolution von Ungarns Premier Viktor Orban und dessen FIDESZ-Regierung. Mehreren kritischen Kulturschaffenden wurden die Verträge nicht mehr verlängert, sie wurden durch linientreue Gefolgsmänner und -frauen ersetzt.

Auch in der ungarischen Medienszene hat das von Premier Orban durchgesetzte neue Mediengesetz grobe Spuren gezogen: Prominente, kritische TV-Journalisten wurden fristlos entlassen. Der beliebte Radio-Sender Klub-Radio , wo Orban-kritische Hörer zu Wort kamen, verlor seine Lizenz. Ende März wird Klub-Radio das letzte Mal auf seiner alten Frequenz auf Sendung gehen und dann in Budapest nicht mehr zu hören sein.

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