Das klingt jetzt nicht gar so dramatisch.
Das hätte viel schlimmer sein können. Der Buchhandel hat sich immer wieder als krisenfest erwiesen, auch 2008 bei der Finanzkrise. Man muss aber auch sehen, dass der Buchhandel in den letzten Jahren permanent unter Druck war und zwischen Nullwachstum, leichtem Minus und leichtem Plus von Jahr zu Jahr gelebt hat. Aber man braucht eigentlich Wachstum. Es sind keine Rücklagen da.
Für einen kleinen Buchhändler, der also gerade so durchkommt, sind diese 5,5 Prozent minus dann wohl genau das, was sonst übrig geblieben wäre.
Ja, das ist schwierig und führt gerade bei den kleinen Buchhändlern zur Selbstausbeutung. Die müssen sprichwörtlich Tag und Nacht arbeiten. Die meisten betreuen das Onlinegeschäft selbst, was gut ist und Kunden bindet. Dann arbeiten sie am Wochenende durch, um das zu verkraften. Aber die Stimmung ist nicht schlecht. Es kriegen viele Feedback von ihren Stammkunden, da bringt dann auch einer eine Flasche Wein oder einen Blumenstock vorbei. Sie erfahren viel Wertschätzung, und das treibt sie auch an. Buchhandlungen sind mehr als reine Verkaufsstellen.
Deswegen ist Amazon nicht der große Gewinner im Buchhandel im Krisenjahr?
Im ersten Lockdown wurden andere Artikel gegenüber Büchern priorisiert, da haben sie sich zurückgenommen. Mit den anderen Produkten – Haushalt etc. – hatten sie eine höhere Spanne. Darauf hat der stationäre Buchhandel sehr gut reagiert und Boden wettgemacht. Da hat es eine Verschiebung gegeben. Im zweiten Lockdown aber ist Amazon schon sehr stark. Wie es im Jahresvergleich dann am Ende sein wird, wissen wir noch nicht.
Wie läuft das Weihnachtsgeschäft?
Der Lockdown war sicher nicht hilfreich. Es ist zu hoffen, dass sich das noch erholt. Aber es wird schon eher ein Minus darstellen. Das Wichtigste sind aber die treuen Kunden, die beim stationären Handel einkaufen. Es kommt aber auch sehr stark auf einzelne Titel an – früher gab es die sogenannten Harry-Potter-Jahre. Einzelne Titel können im Jahresergebnis spürbar sein. In den letzten Wochen spürt man im Umsatz diese Obama-Biografie („Ein verheißenes Land“, Anm.). Da bleibt auch etwas beim Buchhändler.
Das ist auch ein Sachbuch. Es verwundert, dass die Belletristik im Vergleich ordentliche Einbrüche erlebt. Hätte das nicht das Jahr der Belletristik sein können, wo man sich am Abend hinsetzt und liest, anstatt auszugehen?
Es ist schon so, dass die Menschen im Homeoffice abends nicht auch noch vor einem Bildschirm sitzen wollen. Sondern lieber ein Buch zur Hand nehmen. Die relativen Zahlen sind insgesamt eher stabil, die Verschiebungen sind sehr titelabhängig.
Und vielleicht von Öffentlichkeit – die Messen, die Belletristik ins Rampenlicht rücken, sind zum allergrößten Teil abgesagt worden.
Und auch die Absagen von Lesungen und literarischen Veranstaltungen. Das war für die Autoren ein riesiger finanzieller Schaden. Auch im Verkauf für die Verlage, weil gerade die kleineren Verlage oft äußerst engagiert in der Zusammenarbeit mit den Buchhandlungen sind. Wenn diese Veranstaltungen wegfallen, spürt man das massiv im Umsatz.
Und jetzt? Wie geht es weiter?
Es fällt mir immer wieder schwer, in die Zukunft zu schauen (lacht). Wenn das Weihnachtsgeschäft nicht völlig daneben geht, wofür es keine Anzeichen gibt, dann ist die Stimmung nicht so schlecht. Und dann ist die Einkaufslust der Buchhändler im Frühjahr auch besser. Dann wird bei den Verlagen mehr bestellt. Deren Programme sind ambitioniert. Dann ist damit zu rechnen, dass die Frühjahrsprogramme gut angenommen werden. Und dann ist es auch hoffentlich irgendwann soweit, dass diese Pandemie überwunden ist.
Also kommt der Buchhandel insgesamt mit einem blauen Auge davon – weil das Buch eben kein Produkt ist wie viele andere?
Das Buch hat seit vielen Generationen diese Sonderstellung. In anderen Branchen müssen die Unternehmen versuchen, ihre Produkte über Erzählungen zu verkaufen. Erzählungen von bio, von Natur, von Qualität, von Entspannung oder eben vieles anderes. Im Buchhandel hat jedes Produkt schon seine Geschichte, alles lebt von Geschichten. Das ist in der Erzählung einfacher zu vermitteln, man muss nichts erfinden, weil schon etwas Erfundenes da ist. Dass man hier in neue Welten abtauchen kann, die sich eröffnen, macht viel von dieser Sonderstellung aus. Das ist und bleibt etwas Besonderes. georg leyrer
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