Trump, Netanjahu und was die Politik von der Literatur gelernt hat
Der Name Joshua Cohen ist hierzulande spätestens seit seinem großartigen, 2023 auf Deutsch erschienenen Roman „Die Netanjahus“ über eine wahre Begebenheit im Leben des israelischen Premierministers geläufig.
„Aufzeichnungen aus der Höhle“ versammelt nun Essays des 1980 geborenen New Yorker Autors. Die zwischen 2011 und 2023 entstandenen Texte sind um nichts weniger grotesk als sein 2022 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Roman. Denn es geht darin um unsere Gegenwart, und die ist ja fast zu grotesk, um wahr zu sein. Siehe Donald Trump, dem Cohen hier in den Casinos von Atlantic City auf die Spur kommt – ein „rotgesichtiger, übergewichtiger ,Komm mir nicht in die Quere’-Proll“.
Doch „Der allerletzte Sommer“ ist viel mehr als eine politische Betrachtung, denn Cohen verbrachte seine Jugend in Atlantic City. Es ist eine Mischung aus Stadtgeschichte und persönlicher Erinnerung an den verblichenen Glanz dieser „sterbenden Stadt, die nur für den Sommer lebt.“
Für den jüdischen Schriftsteller Cohen spielen die israelische Kultur und Literatur, aber auch die israelische Politik immer wieder eine Rolle. So kommt auch Benjamin Netanjahu hier wieder vor – in „Israels Zeit der Unzufriedenheit“ untersucht Cohen die Verstrickungen Trumps mit der Netanjahu-Regierung. Und im Essay „Schloschim (aus dem Tagebuch)“ wirft er kurz nach dem 7. Oktober 2023 einen persönlichen und sehr emotionalen Blick auf die Lage in Israel.
Darüber hinaus hält diese Sammlung allerhand Überraschungen bereit. Da sind Gedanken über Franz Kafkas Grab auf dem Neuen Jüdischen Friedhof von Prag, dessen ursprünglicher Grabstein gestohlen wurde –„einige sagen, von einem literaturbegeisterten Nazi, andere sagen, von der tschechoslowakischen kommunistischen Regierung.“ Und dann ist da ein Aufsatz über den österreichisch-ungarischen Autor Gregor von Rezzori, dessen Romane Cohen in allerhöchster Wertschätzung so zusammenfasst: „Mord. Mord. Mord.“ Balzac, Stendhal,Bohumil Hrabal kommen ebenfalls vor – Cohen ist zudem Literaturkritiker.
Von der Literatur lassen sich auch Tipps für andere Lebensbereiche ableiten: „Von meinen Literaturprofs habe ich gelernt, dass man die Wahrheit durch bloße Überzeugung ersetzen kann.“ Die Politik hat das längst verinnerlicht.