„Holly“ ist das jüngste Werk von Grusel-Altmeister Stephen King. Der junge Lektor ist nicht der Einzige, der in dem Käfig landet. Auch ein Skateboarder, eine Reinigungshilfe und die Bibliothekarin Bonnie Rae bekommen dort ein bluttriefendes Stück Innereien vorgesetzt. Ihre Mutter ist es, die Privatermittlerin Holly Gibney beauftragt, dem Verschwinden ihrer Tochter nachzugehen.
Die titelgebende Hauptfigur ist bereits aus früheren Büchern des US-Horror-Routiniers vertraut. In Mr. Mercedes, Finderlohn und Mind Control war sie der verunsicherte Sidekick des Ermittlers Bille Hodges. Sie lässt King offenbar nicht los. Jetzt steht sie, gereift und abgeklärt, in Zentrum einer Jagd nach höchst ungewöhnlichen Serienmördern. Sie muss sich schrittweise an das volle Ausmaß des Schreckens herantasten. Und dabei auch den Corona-Tod ihrer Mutter – eine Covid-Leugnerin, mit der sie ein ambivalentes Verhältnis verband – verarbeiten.
„Holly“ ist voller Zeitsprünge, spielt aber in weiten Strecken in der Corona-Zeit. In das triste Szenario der Pandemie zeichnet King seine Figuren. Mitunter geraten sie etwas holzschnittartig. Der Horror braucht keine Gruselclowns wie Pennywise oder meuchelnde Kuscheltier-Zombies. Er liegt auch im Alltäglichen. Und das ist in den USA der 2020er-Jahren nicht nur von Corona-Leugnern, sondern auch von Rassismus, Homophobie und den Auswirkungen des von Donald Trump losgetretenen Sturm auf das Kapitol durchdrungen.
„Holly“ ist auch ein politisches Buch, mit dem Impfgegner und Trump-Anhänger wenig Freude haben dürften, das aber auch Raum für Hoffnung lässt. Vor allem aber ist es ein packender Thriller, ein routiniert abgespulter Pageturner, der in einem furiosen Finale gipfelt.
Auch Leute, die sich mit der Absicht tragen, auf fleischlose Ernährung umzustellen, könnten in dem Buch eine Entscheidungshilfe finden.