„Holly“ heiß das soeben auf Englisch (deutsch ab 20. 9.) herausgekommene neue Buch des Meisters des Schreckens. Es ist ein Detektivroman, natürlich kein normaler. Es geht – Vorsicht, Spoiler! – um ein Professoren-Ehepaar, das in der Freizeit gerne Menschen isst. Und King selbst sagte: „Ich glaube, dass viele Menschen das Buch nicht mögen werden.“ Nicht wegen des ungewöhnlichen Menüplans des Ehepaars Harris. Sondern weil kaum etwas nach wie vor polarisierender ist als die Pandemie.
Holly, die titelgebende Detektivin, muss gleich zu Beginn dem Begräbnis ihrer coronaleugnenden Mutter per Videocall beiwohnen. Das Buch ist mitten in der Pandemie angesiedelt – und als Zeitkapsel für diese erstaunlichen Jahre gedacht, wie King dem Rolling Stone sagte: „Niemand würde das glauben, der das alles nicht selbst mitgemacht hat. Niemand würde die Paranoia und Angst vor Covid verstehen.“ In vielen Jahren werden Menschen Archivaufnahmen sehen von „Leichen, die vor den Spitälern in gekühlte Lastwagen gelegt wurden, und sich fragen: Ist das wirklich passiert? Und natürlich ist es das.“
Themenänderung
Das aber ist im Vorwahl-aufgescheuchten Amerika ein immer noch heißes Thema: Mit Impf- und Covid-Skepsis wurden viele energetisiert, die Donald Trump für seine Wiederwahl braucht. Die anrollende (und vorsorgelose) Herbstwelle könnte hier viele alte Wunden in den Psychen jener, die das alles für eine große Lüge hielten, wieder frisch machen.
Dass King sich in dieser Frage so eindeutig einordnet, ist kein Zufall: Er ist offener und viel kommunizierender Kritiker der Radikalisierung und Polarisierung durch Trump. „Es gibt Charaktere in meinem Buch, die sagen: ‚Ich glaube den Bullshit nicht. Das ist alles Müll.‘ Das ist das Leben, das wir leben. Ich versuche immer, die Zeit zu reflektieren, in der wir leben.“
Damit ist der Bestseller-Autor nicht allein: Man gewinnt den Eindruck, dass ein zunehmend breiter Anteil der Literatur, verfasst von etablierten Autorinnen und Autoren, sich mit jenen Aspekten des Lebens beschäftigt, die an den Fronten des Kulturkampfs gelagert sind. So unterschiedliche Autoren wie T. C. Boyle (er widmet sich in „Blue Skies“ dem Klimawandel) oder Science-Fiction-Vordenker Neal Stephenson (am 15. November erscheint dessen „Termination Shock“ rund um Erderwärmung und Geoengineering auf Deutsch) haben sich zuletzt mit Klimawandel, Geschlechter- und Identitätsfragen und mehr auseinandergesetzt. Die Reaktionen sind immer ähnlich, man erinnere sich an die Reaktion auf Kim de L’Horizons (lesenswertes) „Blutbuch“ über das Leben als Transperson: Nach dem Gewinn des Deutschen Buchpreises gab es vielerlei Hasskommentare.
Stephen King rührt das wohl weniger: Er ist einer der meistverkauften Autoren überhaupt.
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