Schon mit 22 veröffentlichte sie erste Gedichte. Man hat sie in ihrer frech-schnoddrigen Art mit ungleich berühmteren Autoren wie Erich Kästner oder Joachim Ringelnatz verglichen und Gedichte wie „Der Herr von Schalter neun“ teilen tatsächlich diesen neusachlichen Ton, der die Dichter der Weimarer Republik auszeichnete: ironische, scharfzüngige Alltagsbeobachtungen, manches davon Gebrauchslyrik im besten Sinn.
Bei Kaléko kommt noch vieles andere hinzu. Ihre Fluchterfahrungen, ihr Emigrantendasein in New York und Palästina, ihre Trauer um Mann und Sohn. Den unsentimentalen Ton hat sie aber immer beibehalten. Die Sehnsucht nach dem verlorenen Zuhause und den Liebsten wirkt umso stärker. „Auf einer Bank im Central Park“, erinnert sie sich an jenes Land, das sie „einst Heimat nannte“, und sie weiß, jüdische Flüchtlinge wie sie „haben keinen Freund auf dieser Welt. Nur Gott. Den haben sie mit uns vertrieben.“ (aus: „Überfahrt“).
Auch Liebesgedichte gelingen herzergreifend und wirken doch zugleich beinahe sachlich: „Du hast mir bis zuletzt noch Sie gesagt und schweigst per du.“
Zum 50. Todestag hat der dtv-Verlag, der den bis zu ihrem Tod von der Schauspielerin Gisela Zoch-Westphal verwalteten Nachlass Kalékos besitzt, einen neuen, von Daniel Kehlmann kuratierten Gedichtband herausgegeben. Berliner Großstadtgedichte, Sozialkritisches („Kinder reicher Leute“), an Heinrich Heine mahnende Lyrik aus der Emigration, Beobachtungen aus Israel („Profanes aus dem Heiligen Land“), Gedichte über das Muttersein („Du, den ich liebte, lang, bevor er war“) und am Ende über das Alleinsein wie in „Ältere Dame ohne Anhang“: „Ich hab noch meine Wohnung und den Hund. Und etwas Geld. Nein, ich kann nicht klagen.“