Ottessa Moshfegh: Ein Panoptikum der Grausamkeiten

Ottessa Moshfegh: Ein Panoptikum der Grausamkeiten
Ottessa Moshfeghs Roman „Lapvona“: Man kann froh sein, dass der Geruchsinn beim Lesen keine Rolle spielt

Verschont werden hier eigentlich nur die Lämmer. Für alle anderen Geschöpfe ist das Leben in diesem Roman mehr oder weniger eine Tortur. Auf so gut wie jeder Seite quillen Gedärme, tropfen Körpersäfte, verwesen Kreaturen. Man kann froh sein, dass der Geruchsinn beim Lesen keine Rolle spielt. Und dass sich all das Grauen, das Ottessa Moshfegh hier beschreibt, in weiter Ferne, in einem fiktiven mittelalterlichen Fürstentum namens Lapvona abspielt.

Natürlich lässt sich das groteske Horrormärchen rund um den Lammhirten Jude und seinen, wie es im Buch heißt „missgebildeten und verwachsenen“ Sohn Marek als Parabel auf unsere Zeit lesen. Wenn etwa eine wildgewordene Meute auf dem Marktplatz geifernd der Hinrichtung eines Raubmörders entgegenfiebert, erinnert das durchaus daran, wie heutzutage öffentlich Lynchjustiz eingefordert wird. Oder „Kastration“ öffentlich bekannter Täter. Gegeifert wird im Internet, aber immerhin.

Und wenn sich herausstellt, dass der verwachsene Marek, der bisher in Armut lebte, in Wahrheit ein Fürstensohn ist, der bald erkennt, dass Reichtum den Menschen ebenso erbarmungslos wie Not macht? Monster Mensch, lautet wohl das prosaische Fazit.

Ein schwieriges Buch hat Ottessa Moshfegh da geschrieben. Spannend und stellenweise sogar humorvoll, insgesamt aber von einer Lust am Ekelhaften, die sich nicht jedem erschließt. „Monty Python und der Heilige Gral in der Regie von David Cronenberg“, beschrieb das US-Magazin Vice den Roman. Das muss man mögen.

Die Verfilmungen

Die 1981 in Boston geborene Ottessa Moshfegh zählt zu den gefragtesten zeitgenössischen Autorinnen der USA. Mehrfach preisgekrönt, schreibt sie Erzählungen für US-Magazine wie den New Yorker oder den Paris Review.

Was Moshfeghs Romane auszeichnet, ist ihr Mut zur großen erzählerischen Geste. Bizarre, drastische Plots, überraschende Volten, konsequent zu Ende erzählt. Etwa im 2018 erschienenen Roman „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“, dessen Titelheldin sich mittels Beruhigungstabletten in den Winterschlaf begibt. Die Rechte für die Verfilmung hat sich Margot Robbie gesichert. „Eileen“, Ottessa Moshfeghs erster Roman, wurde mit Anne Hathaway in der Hauptrolle verfilmt und hatte vergangenen Sonntag beim Sundance Film Festival Premiere. BB

Ottessa Moshfegh: Ein Panoptikum der Grausamkeiten

Ottessa Moshfegh: „Lapvona“
Hanser Berlin. 336 Seiten.
27,50  Euro

KURIER-Wertung: Drei von fünf Sternen

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