Mary Hunter Austin: Amerikas erste Umweltaktivistin
Die Wüste lebt – sogar im Death Valley. Es gibt hier viele Stellen, wo trinkbares Wasser nur wenige Meter unter der Oberfläche liegt. Hinweise darauf liefern Pflanzen wie der Mesquitebaum oder das Tropfengras. „Diese Nähe unverhoffter Hilfe macht den Tod in der Wüste so tragisch. Man erzählt, dass der endgültige Zusammenbruch jener unglückseligen Gruppe, die dem Death Valley seinen abschreckenden Namen verlieh, in einer Gegend geschah, wo untiefe Quellen sie hätten retten können. Aber wie hätten sie das wissen können?“
Vielleicht, in dem sie Mary Hunter Austins Buch „Wo wenig Regen fällt“, aus dem das Zitat stammt, gelesen hätten. Leider erschien es 50 Jahre zu spät für die unglücklichen Reisenden.
Beschämende Pflanzen
1903 veröffentlich die 1868 in Illinois geborene Schriftstellerin „The Land of little rain“, das Resultat ihrer zehn Jahre währenden Erkundung der Mojave-Wüste und des Death Valley im Südwesten der USA. Austins Beschreibung, die sie nach dem indigenen Ausdruck für die Gegend benannte, ist botanische Betrachtung, Reiseerzählung und Landschaftserkundung zugleich. In 14 Erzählungen berichtet Austin vom heißesten Ort der Welt und entlarvt die Behauptung, die Wüste sei ein karger und trostloser Ort, als Vorurteil: „Die Wüstenpflanzen beschämen uns mit ihren fröhlichen Anpassungen an die saisonalen Beschränkungen. Ihre einzige Pflicht besteht darin, zu blühen und Früchte zu tragen, und sie tun es dürftig oder in tropischem Überschwang, wie es der Regen zulässt.“ Austin war keiner Religion verbunden, doch die Welt, die sie beschreibt, ist göttlich beseelt – sie stand dem Naturphilosophen Ralph Waldo Emerson näher als dem Naturwissenschafter Darwin. Auch die Menschen, die in der Wüste leben, werden einfühlsam und humorvoll porträtiert. Etwa die Korbflechterin Seyavi, die in einem Hüttendorf der indigenen Paiute lebt und aus Erfahrung weiß: „Ein Mann muss eine Frau haben. Aber eine Frau mit Kind wird sehr gut zurechtkommen.“ Das (hier angedeutete) Plädoyer für weibliche Autonomie war bestimmend für den weiteren Weg Austins, die nach einer kurzen, unglücklichen Ehe zunächst in einer Künstlerkolonie in Kalifornien und nach einer (falschen) Krebsdiagnose einige Jahre in Europa lebte. Enger Gefährte wurde ihr der Schriftsteller H.G. Wells, mit dem sie das Interesse am Sozialismus, an freier Liebe und an der Frauenbewegung teilte, wie Übersetzer Alexander Pechmann im Nachwort des nun erstmals auf Deutsch erschienenen Buches schreibt. Eine Anekdote besagt, dass Wells sie sogar einmal aus dem Gefängnis geholt haben soll, nach dem sie bei einer Demonstration verhaftet worden war. Austin starb 1934 an einem Herzanfall, ihre Asche wurde auf dem Gipfel des Mount Picacho in Arizona beigesetzt.
Nun hat nicht nur der Salzburger Verlag Jung und Jung die frühe Umweltaktivistin und Frauenrechtlerin entdeckt, sondern auch der Berliner Verlag Matthes und Seitz, dessen Übersetzung von „Wo wenig Regen fällt“ im April erscheint, und zwar in der vor rund zehn Jahren gestarteten Reihe „Naturkunden“: Aufwendig gestaltete Bücher, die von nichts anderem berichten, als davon, wie schön diese Welt ist. Oder auch: wie ungewöhnlich. In einer Zeit, die behauptet, die Medienwelt bestehe nur mehr aus schnelllebiger Oberflächlichkeit, kommen hier Künstler zu Wort, die seit Jahrzehnten ... Blattwanzen malen. Neben Insekten bespricht die berückend schöne Reihe Heringe, sprechende Blumen oder die Berge Kaliforniens. Der Begeisterung, die sie ausgelöst hat, ist es wohl mitzuverdanken, dass 120 Jahre alte Liebeserklärungen an die Wüste in diesem Frühjahr gleich zweifach erscheinen.