Virales Video
Yasira Saad ist Hauptkommissarin in Berlin, sie ist alleinerziehende Mutter und gerade auf einem Date. Mit einem Stefan, denn letztlich heißen fast alle Online-Dates Stefan - nach Yasiras Expertise. Das Rendezvous dauert aber nicht lang und hat schon gar nicht den von Yasira erwünschten triebabführenden Effekt, denn weil man ja immer auf sein Handy schauen muss, sieht Stefan etwas, das beiden rasch den Abend verdirbt. Ein 16-jähriges Mädchen, Lena, wird seit einigen Tagen vermisst. Im Internet geht gerade ein Video viral, das zeigt, wie vier schwarze Männer sie vergewaltigen.
Beide wissen, dass das wohl schwere gesellschaftliche Folgen haben wird. Yasira als „Nicht-Deutsche“ – die aber in Berlin Wilmersdorf geboren ist - wird wegen der Optik zur zuständigen Ermittlerin ernannt. Ziemlich bald gibt es ein neues Video, in dem ein rechter Paramilitär, der sich Bär nennt, zur Jagd auf die Vergewaltiger aufruft. Und nicht lang danach gibt es ein neues Video, das zeigt, wie er Erfolg bei der Jagd hatte – inklusive Do-it-yourself-Urteilsvollstreckung.
Asoziale Influencer
Mit jedem Kapitel läuft die Situation in „Views“ ein bisschen mehr aus dem Ruder. Zu Beginn haben zumindest die Dialoge zwischen Yasira und ihrem Kollegen Michael eine fast kängurueske Leichtigkeit, davon ist gegen Ende nichts mehr zu merken. Kling gräbt sich mit dem Unterhaltungsmedium Thriller durch die ungelösten Probleme unserer Zeit: die Unaufhaltsamkeit der Walze von viralen Videos, die (zu) schnellen Urteile über alles, was man im Internet so zu sehen bekommt, die Mobilisierung, die lang gehegte und von bestimmten Parteien noch geschürte Ressentiments gegen Asylsuchende ermöglichen und nicht zuletzt die technischen Möglichkeiten, die sich in geballter Geschwindigkeit vergrößern. Ohne dass es eine Mehrheit der Menschheit so wirklich versteht oder mitbekommt. Wem ist denn im Detail bekannt, welchen Influencern seine Kinder folgen? Und was weiß man schon so wirklich über die?
In den „Känguru-Chroniken“ gründet das Beuteltier ein „Asoziales Netzwerk“ und man muss bei Klings „Views“ nicht selten daran denken, wie asozial die sogenannten Sozialen Medien geworden sind.
Keine Regulierung
In einem seiner wenigen Interviews hat Kling seine klare Meinung dazu geäußert. Die Politik müsse endlich reagieren und festlegen: „Ihr seid Massenmedien und ihr werdet reguliert wie die anderen Massenmedien auch. Ihr müsst die Wahrheit senden, ihr könnt Meinungen haben, aber wenn ihr anfangt, Lügen zu erzählen, dann muss das richtig gestellt werden. Und wenn ihr nicht damit aufhört, dann wird euch irgendwann auch die Sendelizenz entzogen.“
Zumindest in „Views“ ist so eine Schadensbegrenzung weit entfernt. Zum Schluss wünscht man sich eher in den Herzwald, in dem das „Neinhorn“ lebt, denn dort ist es nämlich „mega und es gibt auch keine Jäger.“
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