Ein Attribut, das gewiss Publicity bringt, allerdings das Thema verfehlt, denn im neuen Roman der US-Multimediakünstlerin Miranda July geht’s eigentlich um etwas anderes. Um Verlustängste, um Suche nach Liebe und Halt und ja, ein stückweit auch um den Versuch, all das mit fiebriger Körperlichkeit, etwa exzessiver Masturbation, zu kompensieren. Und der Titel „Auf allen vieren“ hat nichts mit Sex zu tun, sondern beschreibt eine Skulptur einer Bildhauerin, der besten Freundin der Protagonistin und eigentlich der einzige Mensch, der durchgehend für die leidende Ich-Erzählerin dieses Romans da ist. Auch diese ist, wie Autorin July, Künstlerin und wähnt sich mit 45 in der beginnenden Midlife-Crisis. Sie lebt in permanenten Provisorien (ihr Schreibtisch hat seit 15 Jahren ein kürzeres Bein), hat ein seltsam distanziertes Verhältnis zu ihrem Mann und verarbeitet immer noch das Trauma um die Geburt ihres achtjährigen Kindes Sam, das wegen Komplikationen damals beinahe gestorben wäre. Die hochmodernen Eltern wollen ihm kein Geschlecht „aufzwingen“, es ist daher „nicht-binär“. Von ihren Eltern wiederum hat die Erzählerin das schwere Gepäck einer genetisch bedingten Depression geerbt – der Vater ruft sie oft an und teilt mit, er befinde sich im „Todessektor“.
Der Sex ist ein anderer
Ein Trip nach New York soll ihr Leben verändern. Den Weg von Kalifornien hin und zurück will sie mit dem Auto erledigen und rechtzeitig wieder zurück zu einem beruflichen Date mit einer wichtigen Pop-Künstlerin sein. Sie kommt nicht weit. Gerade eine halbe Stunde von daheim mietet sie sich in einem Motel ein, investiert ihr ganzes Geld in den völlig absurden Umbau eines Zimmers, das nicht ihr gehört und trifft sich jeden Nachmittag mit dem Angestellten einer Autovermietung, der alle 15 Minuten sein Instagram checkt, und nein, Sex in dem Sinn haben die beiden dort nicht. Und das nicht nur, weil sie glaubt, sie sei mit 45 zu alt für ihn. Dafür gibt’s jede Menge anderen Sex.
Der Beginn einer radikalen, unverblümten und extrem lustigen Sinnsuche einer Frau, der jemand Panik vor den Wechseljahren eingeredet hat. Das non-binäre Kind bringt sie, diesen „unanständigen“, traurigen Clown immer wieder auf den Boden zurück – ihm geht’s immer bloß um „extra Bildschirmzeit“.
Ein schräges, kompromissloses und eigentlich auch zärtliches Buch. Man möchte diese Frau um Geduld mit sich selbst bitten.