Die von der Metro zur Arbeit hastet, sich durch die von Verkehr und Menschen verstopften Straßen kämpft und in kurzen Momenten des Atemholens in einem Café sitzt und nachdenklich aus dem Fenster blickt.
Die wuselnde Stadt Brüssel, in der diese kleine Frau unterwegs ist, wirkt mit ihren blinkenden Werbeschildern, den huttragenden, smartphonelosen Menschen, die Zeitungen zum Schutz vor Regen über ihre Köpfe halten, aus der Zeit gefallen. Männer und Frauen wieseln durch die vor Leben pulsierende Stadt, die wie aus einem alten Film zu stammen scheint. Einem wie dem, in den Beatrice, mit ihrem schwarzen, kinnlangen Haar einem Stummfilmstar ähnlich, im Lauf der Geschichte selbst hineinstolpern wird.
Oder ist die Schwarz-weiß-Version ihrer selbst doch die Realität?
Träumt sie ihr Leben, oder ist das Leben ein Traum?
Wortlos und bildstark erzählt der belgische Comic-Zeichner Joris Mertens in „Beatrice“ die Geschichte von Einsamkeit und Überleben in der Großstadt. Doch die Stadt, die Mertens hier beschreibt, ist keineswegs unbarmherzig. Im Gegenteil: „Beatrice“ ist eine Hommage an die lebendige Großstadt. An das echte Leben.
Mertens, der lange im europäischen Film-Business gearbeitet hat, Set-Designer war und Storyboards schrieb, sagt im Interview mit dem KURIER, er habe durch seine Arbeit am Film und durch seine Leidenschaft für den Film gelernt, eine eigene Bildsprache zu entwickeln: Dinge zeigen, anstatt sie auszusprechen – „show, don’t tell“. Und ja, auch konkrete Anleihen am Stummfilm hat Mertens genommen: bei deutschen Filmemachern wie Friedrich Wilhelm Murnau und Fritz Lang etwa.
Seine Protagonistin Beatrice sei so etwas wie der „romantische Teil“ seiner selbst. „Einsamkeit, Melancholie, das Bedürfnis, als Individuum erkannt zu werden – darin erkennen sich viele Menschen wieder. Beatrice ist eine sensible, liebenswürdige Person, die am Ende allein bleibt. Weil das Leben eben manchmal so ist.“
Die Story selbst ist ebenfalls direkt aus dem Leben gegriffen – aus dem Leben des Autors. Ähnlich wie im Buch, wo Beatrice über eine rote Tasche stolpert, die eine andere, vergangene Welt eröffnet, fand auch Joris Mertens auf den Straßen Brüssels einst eine rote Tasche mit einem Buch voller Fotos fremder Menschen – dem Leben fremder Menschen.
„Es waren Menschen, die einmal liebten, lachten, sich umeinander kümmerten. Nun kannte sie keiner mehr. Sie waren verschwunden. Eigentlich eine ganz normale Geschichte über die Endlichkeit. Zumindest in meinem Buch konnte ich diesen Menschen ein Stückchen Unvergänglichkeit geben.“