Der Friedhof der vergessenen Bücher hat längst geschlossen

Der Friedhof der vergessenen Bücher hat längst geschlossen
Carlos Ruiz Zafon (1964 - 2020). Letzte Erzählungen aus dem alten Barcelona

Die vier Romane = jene vier Türen, die auf den Friedhof der vergessenen Bücher führen, waren alle designt, zum Teil erschreckend; und zwar bis zur Regenlacke mit den blutroten Rändern.

Bis zum silbergrauen Haar eines Polizeibeamten im schwarzen Barcelona unter Franco.

Aber, und das trifft vor allem aufs erste Buch zu: Es gelang Carlos Ruiz Zafon, vielen Menschen die Freude am Lesen zu geben / zurückzugeben. Man bettelte, von ihm verführt zu werden.

Zum Adoptieren

„Der Schatten des Windes“ (2001) wurde weltweit 15 Millionen Mal verkauft; der größte spanische Bucherfolg seit „Don Quijote“.

Bei „Das Spiel des Engels“, zweites Buch, und „Der Gefangene des Himmels“ drittes Buch, war überdeutlich zu merken: Der Autor seift uns ein, er bedient sich in einem großen Drogeriemarkt mit vielen Angeboten.

„Das Labyrinth der Lichter“ (2016) versöhnte ein wenig, der Innenminister Francos wurde entführt.

Immer sind es dunkle Geschichten in dunkler Zeit ... mit braven Buchhändlern und dem Teufel, der einen Hirntumor wegzaubern kann.

Alles schlängelt sich um eine unterirdische Kathedrale, wo Bücher liegen, die nicht mehr gebraucht werden bzw. in der Diktatur keiner lesen darf.

Bücher warten hier und hoffen, dass jemand sie heimlich adoptiert.

Oder sind es die Bücher, die ihre Leser adoptieren?

Zafon starb 2020 im Alter von 55 Jahren. Krebs. Wenn jetzt ein Band mit Erzählungen nachgelegt wird, tauchen einige alte Bekannte auf. Ganz kurz, sie verschwinden gleich, sie sterben, sie sind verloren wie die vergessenen Ideen und die vergessenen Bücher ... aber „Der Friedhof der vergessenen Bücher“ kommt im Titel, sonst jedoch nur noch in drei, vier Sätzen vor.

Sieben von elf

Dann, wenn von einer zu Stein erstarrten Träne die Rede ist. Sie tropfte 1616 in Barcelona auf den Sarg Miguel de Cervantes’, und genau dort wurde irgendwann die geheimnisvolle Bibliothek errichtet – „in der jedes verfolgte oder von der Ignoranz und Bosheit der Menschen verschmähte Werk eine Heimstatt“ findet.

Das ist alles.

Der Friedhof war also leider schon vor diesem neuen Buch endgültig geschlossen.

Elf Erzählungen sind es, sieben davon waren bisher unveröffentlicht – aus verständlichen Gründen: Es sind Fingerübungen, die wenig Bedeutung haben und bestenfalls hübsch traurig klingen. Sie wirken wie etwas, das später einmal in Größeres eingebaut werden sollte.

Der spanische Verleger sagt, mit dieser Sammlung habe man dem Schriftsteller ein ehrendes Andenken bereiten wollen.

Hätte er gesagt, man wollte ein letztes Mal mit dem guten Namen Carlos Ruiz Zafon Geld machen, wäre es durchaus glaubhaft gewesen; und sogar verständlich.


Carlos
Ruiz Zafón:
„Der Friedhof der vergessenen Bücher“
Übersetzt von Lisa Grüneisen und Peter Schwaar.
S. Fischer.
224 Seiten.
20,90 Euro

KURIER-Wertung: ***

 

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