Buchkritik: Rudolf Habringer und "Leirichs Zögern"

Buchkritik: Rudolf Habringer und "Leirichs Zögern"
Das Leben ohne Bruder war ein großer Schwindel

Sitzt eine Fremde auf ihrem Fahrrad, bleibt stehen und sagt: „Sie haben einen Bruder. Einen Halbbruder. Ich habe ihn zufällig kennengelernt. Er wohnt in der Nähe. Sie wissen nichts von ihm. Ich habe Ihnen Name und Telefonnummer aufgeschrieben. Auf Wiedersehen.“

Der Angesprochene, ein gut 50-Jähriger, ist daraufhin aus verständlichen gründen ziemlich durcheinander. Er weiß nicht, was er jetzt machen soll. Den Unbekannten anrufen – das wäre irgendwie logisch. Aber dann wär’s ein anderer Roman.

Oder dann wäre es vermutlich keiner.

Herantasten

So in etwa ist die Ausgangsposition in Rudolf Habringers „Leirichs Zögern“. Gregor Leirich ist Historiker, von der eigenen Familiengeschichte aber hat er Schiss, wie er sagt. Vater ist seit 20 Jahren tot.

Man braucht Geduld mit ihm. Es lohnt sich, ihn dabei zu beobachten, wie er Klavier spielt, über Jazz redet, sich ablenkt und dann doch noch zu recherchieren beginnt ... es ist das Herantasten an die Wahrheit. An eine andere Wahrheit. War denn das bisherige Leben ohne Bruder ein großer Schwindel?

Der beste Roman Habringers (bisher).

 

Rudolf
Habringer:

„Leirichs Zögern“
Otto Müller
Verlag.
400 Seiten.
25 Euro

KURIER-Wertung: ****

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