Brecht an der Burg: Krieg und Geschäft und Tod

Spielen großartig: Falk Rockstroh, Maria Happel und Sarah Viktoria Frick in „Mutter Courage“
Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder" feierte eine umjubelte Burg-Premiere.

Erinnerungen an die Schulzeit: Wenn Bertolt Brecht drankam, wurde es immer mühsam. Entweder, der Lehrer war ein Konservativer, dann fasste er Brecht als kommunistischen Belehrungsprediger auf, vor dessen Einfluss es die heranwachsende Jugend zu warnen galt. Oder, der Lehrer verstand sich als progressiv, dann war Brecht für ihn ein ideologischer Popstar, und er ließ die Klasse „Der Jasager und der Neinsager“ in verteilten Rollen sprechen. Was dabei leicht unterging: Dass Brecht vor allem ein hervorragender Dramatiker war. „Der kaukasische Kreidekreis“, „Arturo Ui“, „Dreigroschenoper“ – das sind doch herrliche Geschichten!

Und damit sind wir bei „Mutter Courage und ihre Kinder“, das am Freitag im Wiener Burgtheater Premiere hatte. Das ist das wahrscheinlich beste Stück des „Epischen Theaters“, eine packende Geschichte voller kraftvoller Figuren. Besonders interessant ist es, dabei zuzusehen, wie sich Brecht sozusagen selbst überdribbelt: Das Epische Theater will ja im Zuschauer keine Gefühle, sondern Gedanken auslösen. Deshalb setzt es auf Distanz, auf Verfremdungseffekte, auf Schauspiel, das eben nur Schauspiel ist und sich nicht durch gekonnte Nachbildung der Realität in die Herzen der Zuschauer schleicht.

Mitgefühl

„Mutter Courage“ aber ist erfüllt von tiefem Mitgefühl des Dichters für seine Figuren. Zwar ist das 1941 uraufgeführte Stück einerseits eine scharfe Analyse der Wechselwirkungen zwischen Krieg und Geschäft aus der Perspektive der Opfer. Andererseits ist es eine mit Gefühl erzählte, zum Erbarmen traurige Geschichte: Eine Marketenderin versucht mit Härte und Geschick, sich und die Ihren über den Dreißigjährigen Krieg zu retten – und verliert alles.

Der junge Regisseur David Bösch ist mit seinem zwischen Brachialität und Sensibilität wechselnden Stil dem Stück ein idealer Anwalt. Seine Inszenierung hätte Brecht eher nicht gefallen: Bösch distanziert sich nicht von der Handlung, versachlicht sie nicht, sondern legt sie uns – auch mittels üppiger Ausstattung – ans Herz. Er inszeniert das Stück als Theaterstück, nicht als dramatisiertes Thesenpapier.

Maria Happel ist als Mutter Courage eine Sensation: Sie spielt schlicht, unspektakulär und berührt gerade deshalb. Sie ist wesentlich „weicher“ als es die gestrenge Brecht-Tradition verlangt: eben eine Mutter, die ihre Kinder nicht retten kann.

Ebenso gut ist Sarah Viktoria Frick als Courages stumme Tochter Kattrin: Ihr merkwürdiges, einzigartiges Körperspiel ist ideal für diese Rolle. Kattrins Opfertod – sie warnt durch Trommelschläge die Einwohner der Stadt Halle vor einem drohenden Angriff und wird erschossen – ist großartig gespielt.

Mord

Wunderbar spielt auch André Meyer als Courages Sohn Eilif, der nicht verstehen kann, was auch nicht zu verstehen ist: dass Mord und Raub im Krieg eine Heldentat darstellen, im Frieden jedoch ein Verbrechen sind. Sehr stark: Tino Hillebrand als Eilifs Bruder Schweizerkas, der hingerichtet wird, weil seine Mutter zu lange um den Preis für sein Leben feilscht.

Ebenfalls sehr gut: Tilo Nest als Koch, Falk Rockstroh als Feldprediger, Hermann Scheidleder als Hauptmann und Dirk Nocker als Feldwebel. Eigenartig parodistisch legt Regina Fritsch ihre Rolle als Hure Yvette an.

Hinreißend ist die hart gespielte Bühnenmusik, die auch die Schauspieler einbezieht. Patrick Bannwarts Bühnenbild – ein mit Grabkreuzen und Asche bedecktes Ruinenfeld – passt genau.

Jubel und Bravos.

KURIER-Wertung:

Stück Brechts 1941 in der Schweiz uraufgeführter Kommentar zum Zweiten Weltkrieg, erzählt als Geschichte einer Marketender-Familie, deren Lebensgrundlage der Krieg ist – und die am Krieg zugrunde geht.

Inszenierung David Bösch inszeniert entgegen der Brecht-Tradition – und hat damit Erfolg: Hochsensibles Schauspieler-Theater mit üppiger Ausstattung statt Versachlichung. Ein paar Längen gibt es auch – geschenkt.

Spiel Sehr gut bis sensationell.

Brecht an der Burg: Krieg und Geschäft und Tod

FOTOPROBE: "MUTTER COURAGE UND IHRE KINDER"
Brecht an der Burg: Krieg und Geschäft und Tod

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Brecht an der Burg: Krieg und Geschäft und Tod

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