Botschaften von den Grenzgängern
Anna Mitgutsch ist Germanistin und Literaturwissenschaftlerin. Sie hat in Wien gelehrt und an Universitäten in England, Südkorea, in Massachusetts, New York, Boston, Ohio.
Anna Mitgutsch ist Schriftstellerin; und manchmal eine Dichterin, weil sie Unfassbares fassbar(er) machen kann.
Seit „Wenn du wiederkommst“, dieser unerträglichen Trauerrede für den verstorbenen Mann, bei deren Worten man sich trotzdem wohlgefühlt hat, weil die Trauer gezähmt worden ist ... seit dem Jahr 2010 wartet man geduldig auf einen neuen Roman. (Das wäre dann ihr zehnter.)
Denn so viele Menschen gibt’s ja nicht mehr, mit deren Hilfe man nicht so allein ist, wenn man vor dem Nichts steht.
Genusstauglich
Anna Mitgutschs eben erschienener Essayband heißt „Die Welt, die Rätsel bleibt“ .
Die Welt bleibt Rätsel – trotz Rilke, Haushofer, Borges, Celan, Kafka, Beckett ..., die sich an das Unsagbare herangewagt haben.
Über sie schreibt die Linzerin, und damit schreibt sie über Freiheit, Tod, Macht, Schweigen, Heimat. Es ist literarisch, es wird philosophisch, es geht um Gott.
Als massentauglich kann man das Buch wohl nicht bezeichnen. Das liegt an der Masse. Allerdings ist es überaus genusstauglich. Das liegt daran, dass sich Wissen mit Können aufs Schönste paart.
Anna Mitgutsch erklärt nicht einfach so, sondern mischt mit.
An die amerikanische Lyrikerin Sylvia Plath (1963 Selbstmord im Alter von 30 Jahren) verfasst sie einen Brief: „Wie viele Botschaften von letzten Grenzgängen darf man ungestraft ins Leben schicken?“
Und als Herman Melville („Moby Dick“) hält sie drei Monologe: Die Schöpfung sei böse und grausam und gleichgültig, ihre Schrecken können einen zermalmen, „und sie bleibt unschuldig wie am ersten Tag ...“
Was ihre Essays zusätzlich veranschaulichen: Auf jeder Seite klingt mit, warum Literatur lebenswichtig ist.
Das Umsatzminus im heurigen Buchhandel muss ein schreckliches Missverständnis sein.
KURIER-Wertung:
INFO: Anna Mitgutsch: „Die Welt, die Rätsel bleibt“ Luchterhand Verlag. 416 Seiten. 20,60 Euro.
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