Buchmesse mit Weisheit, Austrofred und Datteln

Die sechste Ausgabe der "Buch Wien" ist eröffnet.
Die sechste Ausgabe der Buch Wien. Der erste Tag beginnt laut.

Der BröselBär-Verlag ist dieses Jahr nicht da. Wolfgang Weiss und sein Verlag hatten umzugsbedingt keine Zeit.

Dafür ist der Verlag der Stiftung Gralsbotschaft da, er will Werte fürs Leben vermitteln (etwa mit den „Zehn Geboten Gottes“, wahlweise auf Audio-CD oder im MP3-Format).

So etwas Ähnliches – nämlich Werte vermitteln – hat bestimmt auch der Ahriman-Verlag vor: „Unser Programm ist die Wiederkehr der Verdrängten“, ist auf dem Verlags-Verzeichnis zu lesen, auf dem ein Krampus-Schattenriss abgebildet ist.

Der Verlag, der Werke namens „Die Pubertätsriten der Wilden“, aber auch Porträts von Salman Rushdie und Taslima Nasrin im Angebot hat, hat seinen Stand direkt gegenüber dem gigantischen Bau des größten Ausstellers dieser Messe: Das Königreich Saudi-Arabien, nicht zum ersten Mal prominent bei dieser Messe vertreten, wirbt hier für Tourismus und arabische Literatur. Weiters im Angebot: kostbar verzierte Koran-Ausgaben und getrocknete Datteln. Letztere gehören zu den Rennern auf dieser Messe.

Begeisternd

Es ist der erste Vormittag nach der Eröffnung Mittwochabend, wo nach Reden von Veranstaltern und Politikern endlich die wunderbare Sibylle Lewitscharoff zu Wort kam. Die Büchner-Preisträgerin begeisterte mit einem flammenden Plädoyer für das Lesen.

Am Tag danach tun sich die Vortragenden auf der ORF-Bühne mit dem Begeistern deutlich schwerer: Schriftsteller Jostein Gaarder („Sofies Welt“) versucht, gegen den beträchtlichen Lärmpegel mit einer Rede über „Weisheit“ und „Verstehen“ anzukämpfen. Man versteht ihm kaum.

300 Verlage, einige Autoren und sehr viele Schulklassen befüllen an diesem Donnerstagvormittag die 8.800 Quadratmeter Ausstellungsfläche.

Die Geräuschkulisse ist dicht.

Vortragende Autoren tun sich schwer, gehört zu werden, ebenso wie maßregelnde Lehrer. Man erhascht Wortfetzen von Sätzen, die mit „Jedes Kind, das...“ beginnen.

Gruppen-Selfie

6 bis 18-Jährige strömen in alle Richtungen. Viele von ihnen mit Zetteln in der Hand, die sie am Ende des Ausflugs ausgefüllt abgeben müssen. Dennoch scheinen I-Phones auch hier im Mittelpunkt zu stehen (viele weibliche Teenies fertigen Gruppen-„Selfies“ an ).

Eine Autorin kämpft darum, mit ihrem Vortrag über „Tabus in der arabischen Literatur“ akustisch verstanden zu werden. Man hört: Religion sei das größte Tabu. Schräg gegenüber wird ein Mann, der beim Stand eines deutschen Ausstellers namens „Leseratten“ als Papiermumie verkleidet ausgestellt ist, gerade mit getrockneten Datteln beworfen.

„Vielleicht wird’s abends besser“, ist der nette Herr vom Suhrkamp-Verlag vorsichtig optimistisch.

Der Performer Austrofred, der an diesem Vormittag als (gut besuchter) Autor zu Gast ist, behauptet, der Charme der Veranstaltung bestehe für die Schüler darin, dass sie zumindest nicht in die Schule müssten.

Junge Leser

Gerade, als man versucht ist, ihm recht zu geben, trifft man Daniel, 12 („aber bald 13“). Er hat soeben ein Buch gekauft: „Gregs Tagebuch“. Ob er der einzige Leser in seiner Klasse ist? Ein Streber gar? „Nein“, sagt er ernst: „Das interessiert in meiner Klasse alle.“

Vielleicht hat ja auch Gerhard Ruiss, der seinen Stand von der IG-Autoren inmitten des Getümmels behauptet, recht, wenn er sagt: „Wer eine neue Generation zu Lesern erziehen will, der muss auch einen gewissen Geräuschpegel in Kauf nehmen.

Und kaum hat man das vernommen, sieht man tatsächlich Jugendliche, die sich für eine echte Bücherpresse interessieren. Der Untergang der Gutenberg-Welt steht also vielleicht unmittelbar bevor – aber noch nicht heute.

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