Ein Baukünstler, der sich nie hat „einkasteln“ lassen

Ein Baukünstler, der sich nie hat „einkasteln“ lassen
Die „Architektur im Ringturm“ zeigt bis 20. März Arbeiten aus dem letzten Jahrzehnt von Boris Podrecca.

„Die Architektur ist eine feine Dame, der die Welt eigentlich ein bisschen wurscht ist“, sagt Boris Podrecca. Seine Bauten tragen keine auf den ersten Blick klar erkennbare Handschrift. Weil er kein Denker in Baustilen ist. Weil er nie „eingekastelt“ werden konnte.

Weil er lieber die gewachsene Stadtform weiterdenkt: „Ich mache eine Poetik der Differenzen. Jeder Ort in meinem Mitteleuropa hat so viel Potenzial an Weitererzählung, dass ich mich heute in einer polyfunktionalen Zeit nicht durch das Stildenken definieren kann.“

So präsentiert die Schau im Ringturm nicht nur die große Vielfalt der Bauten aus dem vergangenen Jahrzehnt, sondern hebt die ihm wichtige hohe Kunst des „Einpassens in den vorhandenen Kontext“ hervor. Podrecca: „Es gibt keine Formel. Es gibt immer spezifische Antworten auf spezifische Fragen.“

Der Wiener aus Triest

Der Kosmopolit im Schnittpunkt der Kulturen, geboren auf der Durchreise in Belgrad, wo sein Vater am Hof von König Aleksander I. Karadjordjevic als Attaché akkreditiert war, aufgewachsen in Laibach und Triest, dem „Wien am Meer“, hat u. a. in Venedig, Triest, Bozen, an der dalmatinischen Küste Kroatiens und in Neapel, Belgrad und Slowenien, der Steiermark, München und in Limoges gebaut, aber auch in Spanien, Griechenland und den USA.

Architektur sieht er als Passepartout des Lebens.

Podrecca war 18 Jahre alt, als er auf der Suche nach seinem Vater mit dem D-Wagen vom Südbahnhof bis zum Ring fuhr. Das war 1958, und der Maturant war zum ersten Mal in Wien. „Noch heute kann ich mich erinnern“, erzählt der Architekt, „als ich meinen Vater durch das Glasfenster des damals größten Kaffeehauses Wiens, des Josephinums auf der Währinger Straße, gesehen habe.“

So begann Podreccas Leben in Wien. In der Stadt, die er wesentlich mitgeprägt hat.

Vielfältiges Lebenswerk

Dem alten Haus am Stephansplatz 6 hat er ein neues Kleid verpasst, die dunklen Räume für das Dom Museum behutsam modernisiert.

Außerdem gemeinsam mit Rudolf F. Weber und Gustav Peichl den Millenniumstower (1999) entworfen, das Porzellanmuseum im Augarten (2011) adaptiert, das Palais Hansen zum Hotel Kempinski (2012) umgebaut und die medizinische Fakultät von Maribor (2013) errichtet.

Neben zahlreichen Stadtprojekten, Umbauten, dem Wohnbau und Museumsbauten bildet die Gestaltung von zahlreichen öffentlichen Plätzen einen Schwerpunkt in seinem Œuvre. So tragen der Rathausplatz St. Pölten, der Hauptplatz Leoben, der Kremser Bahnhofsplatz und der Neue Platz in Klagenfurt Podreccas Handschrift.

In Triest sei er auf der Straße aufgewachsen und nach Hause nur zum Essen und Schlafen gegangen. „So habe ich vieles über Straßen, Gassen und Plätze gelernt. Und das geht ins Blut.“ Plätze suggerierten ihm, was ihnen fehle. Bisher hat er 33 Plätze in acht Ländern entworfen.

Leben, Wohnen und Arbeiten gehen bei Podrecca ineinander über. Er lebt in Wien in einer von seiner Frau Gisela renovierten Fabrik aus dem 19. Jahrhundert in Hernals. Simultan arbeitet er gleichzeitig in Wien und Laibach, Zagreb und Belgrad. „Wie es schon in der alten Monarchie üblich war.“

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