Boom am Bosporus
Da liegt er also nun in seiner Hängematte, als ob nichts wäre. Dabei hat Murat Gök sich für seine Aktion einen Ort ausgesucht, der nicht eben mit Gemütlichkeit assoziiert wird: An der Grenze zu Syrien hat sich der türkische Künstler zwischen zwei Pfosten des Grenzzaunes platziert. Das sieht überraschend entspannt aus. Und unterwandert jede Erwartung an diesen aus österreichischer Sicht so fernen Ort.
Damit hat Murat Gök so etwas wie das Themenbild zur MAK-Ausstellung geschaffen: Unter dem Motto „Zeichen, gefangen im Wunder“ haben sich die Ausstellungsmacher „auf die Suche nach Istanbul heute“ gemacht. Sie haben eine politische, kosmopolitische, kritische Künstlerszene gefunden. Die Schau (bis 21. April) gibt Einblick in eine im rasanten Aufschwung befindliche Metropole, der man sich immer noch allzu gerne mit überkommenen inneren Klischees nähert. Was wiederum den Blick auf die heutigen Realitäten verstellt.
Kunstort
Längst ist der viel beschriebene Brückenort zwischen Europa und Asien fest in den weltweit gleichen Koordinaten verortet, zwischen denen sich die zeitgenössische Kunst abspielt: aufgespannt zwischen schwurbelnder Theorie und leicht zugänglichen Alltagsbildern. Verspielt werden dabei zugleich verkrampfte Bilder von Fremdheit aufgebrochen und reale Problemstellen thematisiert: Nilbar Güreş schält sich durch viele Schichten an Schleiern und bleibt doch immer verborgen; Hamra Abbas hat aus Istanbul-Panoramafotos alle Minarette herausgelöscht; Marcel Odenbach zeigt eine Friseursalon-Rasur in Großaufnahme. Die Schau lehrt: Istanbul weiß, wie es gesehen wird. Und sieht sich selbst anders. Nicht zuletzt deshalb wohl ist das Herzstück der Schau ein Werk, das Platz lässt für all die Wunsch- und Angstlustbilder, mit denen die Österreicher die Stadt und ihre Einwohner aufladen: Mit Vorhängen grenzt Cevdet Erek einen leeren Raum ab, weiß – und offen für Neuinterpretation.
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