Und derer gab es viele. Oft extrem formuliert. Verdis Musik sei roh, trivial und langweilig, so Hanslick. Über „Aroldo“, im Wiener Kärtnertortheater erstaufgeführt, befand er: „... abermals hätte die Oper die schönste Gelegenheit, hier zu Ende zu sein – aber nein: Vierter Akt.“
Bruckner schreibe einen „traumverwirrten Katzenjammerstil“, worauf der geschmähte Komponist bei einer Ordensverleihung, gefragt, ob er einen Wunsch habe, Kaiser Franz Joseph bat: „Majestät, wenn S’ ein Wörterl mit dem Hofrat Hanslick reden möchten!“
Als man Wagners schärfsten Gegner nach der Erstaufführung des „Tristan“ in Wien fragte, wie es ihm gefallen habe, antwortete er: „Teils teils.“
„Nun, was hat ihnen an dem Werk zum Beispiel nicht gefallen?“
„Nicht gefallen hat mir zum Beispiel – die Musik!“
Wagner wiederum verspottete Hanslick als regelbesessenen Stadtschreiber Sixtus Beckmesser in „Die Meistersinger von Nürnberg“. Die Regel als Selbstzweck ist sinnlos, die Kunst, so Wagner, definiert selbst die Regeln, denen sie folgt.
Und Josef Hellmesberger, Geiger bei den Wiener Philharmonikern, sagte nach der Rückkehr des Kritikers von einer Kur nach Wien: „Der Hanslick ist leberleidend nach Karlsbad gefahren und leider lebend wiedergekommen.“
Das Neue wurde oft abgelehnt in Wien – in der Architektur, im Theater, auch in der Musik: Auch Richard Strauss und seine Musik hat man nicht auf Anhieb sondern erst viel später verstanden. In einer Kritik über sein Werk „Schlagobers“ stand in einer Wiener Zeitung: „Wenn Richard, dann Wagner, wenn Strauss, dann Johann. Und wenn Schlagobers, dann von Sacher.“
Zimperlich waren oft auch die Künstlerkollegen nicht in ihrer Wortwahl. Kaum eine heilige Kuh, die bei Glenn Gould nicht ihr Fett abbekam. Der Pianist schlug Bruckner „vierschrötige Rhythmen“ um die Ohren; Chopin pomadisierte er zum Komponisten „schmachtender Kantilenen“, Tschaikowsky tat er als „Haupttouristenattraktion der russischen Musik“ ab.
In Mozarts später g-Moll-Symphonie, wo der Mozart-Deuter Alfred Einstein „Stürze in Abgründe der Seele“ vernahm, entdeckte Gould gerade „acht bemerkenswerte Takte“ und „drumherum eine halbe Stunde von Banalität“. Was beweise: Mozart sei „eher zu spät als zu früh gestorben“.
Apropos Urteil: Ein hübsches, aber völlig talentfreies Mädchen spielte Max Reger auf dem Konzertflügel vor. Als die Mutter ihn um seine Meinung bat, sagte Reger salomonisch: „Gnädige Frau, ohne Flügel wäre Ihre Tochter ein Engel!“
Bei Georg Kreisler kommt der Musikkritiker so zu Wort: „Es gehört zu meinen Pflichten, Schönes zu vernichten.“ Mit „Heute findet jede Zeitung/größere Verbreitung durch Musikkritiker“ und stolpernden Synkopen ließ der Großmeister des schwarzen Humors sein Lied „Der Musikkritiker“ beginnen, das alles verkalauert und vergassenhauert, dass es ein Spaß ist. Und die erste Strophe endet mit dem Bekenntnis: „Hindemith, Strawinsky und Varèse/sind zwar gut, doch ich bin bèse.“
Wie der Kritiker, der Friedrich Guldas Komposition „Concerto for Myself“ 1991 einen „Furz“ genannt hatte, worauf der Pianist jahrelang nicht mehr in Wien auftrat. Vergleichsweise gelassen reagierte da ein in Grund und Boden verrissener Komponist, der seinem Kritiker schrieb: „Ich sitze hier im kleinsten Raum meines Hauses und lese Ihre Kritik. Noch habe ich sie vor mir ...“
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