Bob Dylan: 79 Jahre und wütend wie selten zuvor

Bob Dylan: 79 Jahre und wütend wie selten zuvor
Neue Alben vom Nobelpreisträger - und von Neil Young.

Am 24. Mai wurde Bob Dylan 79 Jahre alt. Und im höheren Alter findet er wieder zu der Rolle zurück, die ihn in den Sechzigerjahren berühmt gemacht hat: Zu der Rolle als Kommentator der Zeit. (Die ist ja, wie wir wissen, a-changing – im Wandel.)

In einem Interview für die New York Times nannte Dylan den „Foltertod“ des Afroamerikaners George Floyd, der bei einem Polizeiübergriff in Minneapolis ums Leben kam, „unfassbar abstoßend“. Er sei „angewidert“, so Dylan.

Bereits in der Covid-Lockdown-Phase hatte Dylan mit einem außergewöhnlichen Song verblüfft: „Murder Most Foul“ ist ein 17-Minuten-Breitbandwerk, zu langsamen Blues-Grooves assoziierte sich der Meister vom Mord an Kennedy quer durch die Gegenkultur der Sechzigerjahre und rechnet mit dem amerikanischen Traum ab. Absurd genug: Das überlange Lamento eroberte weltweit die Hitparaden.

Eine Woche später  schoss er das Stück „I Contain Multitudes“ nach, ein fast ebenso starkes Gemälde aus rätselhaften, düsteren Worten. Das Lied eröffnet das heute erscheinende neue, 39. Studioalbum von Dylan: „Rough And Rowdy Ways“. Es ist sein erstes mit neuen Songs seit acht Jahren – zuletzt hatte er ja nur Songs aus dem „American Songbook“ im Swing-Stil veröffentlicht, als gekrächzte Hommage und gleichzeitig Parodie auf große Crooner wie Sinatra.

Und Dylan hält die große Form, die er 1997 mit „Time Out Of Mind“ zurückgefunden hat: Es gibt den inzwischen typischen geisterhaften Blues zu hören, durchsetzt mit Folk-, R & B- und Gospel-Elementen. Und dazu die klassischen, mysteriösen Texte, an denen sich Dylan-Exegeten die kommenden zehn Jahre lang abarbeiten dürfen. Von einem „brutalen Pulp-Noir-Meisterwerk“ schrieb zu Recht die Chicago Times. In der Tat würde man sich wünschen, dass mehr Pop-Künstler im Alter so wagemutig wären wie der Literatur-Nobelpreisträger.

45 Jahre später

Neil Young wird oft mit Dylan verglichen, die beiden verbindet eine lose Freundschaft. Im Unterschied zu Dylan ist Young ein Vielarbeiter, der unermüdlich Musik herausbringt. Und er hat aus sich keine geheimnisvolle Figur gemacht, er ist ein Wüterich, der unermüdlich für und gegen alles eintritt, was ihm gerade auffällt (derzeit gegen Trump und für Umweltschutz).

45 Jahre später Auch er hat ein neues Album herausgebracht – wobei dieses gar nicht neu ist, sondern 45 Jahre alt. „Homegrown“ wurde Mitte der Siebzigerjahre aufgenommen und verarbeitet die Trennung von Youngs damaliger Partnerin Carrie Snodgrass. „Homegrown“ hätte der Nachfolger von Youngs großem Erfolg „Harvest“ werden sollen, es erschien ihm aber „zu persönlich“, zu schmerzhaft. Young zog das Album zurück – und veröffentlichte bald noch persönlichere, noch schmerzhaftere Musik.

„Homegrown“, großteils allein, mit ein bisschen Hilfe von Freunden  wie Robbie Robertson und Levon Helm aufgenommen, reiht sich mühelos ein unter Youngs stärkste Arbeiten. Zu hören ist sparsamer, dringlicher Folkrock, betrieben von großen Gefühlen und offensichtlich ein wenig Alkohol. Ein tolles Werk.

 

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