Bestseller-Regisseurin von "Der Zopf“ im Interview: Das Haar der Frauen

Eine Frau und ein Kind ruhen in einem Boot auf dem Wasser.
Regisseurin und Schriftstellerin Laetitia Colombani verfilmte ihren eigenen Bestseller und erzählt, wie sie von einer Chemotherapie inspiriert wurde

Als der Film „Der Zopf“ von Laetitia Colombani kürzlich seine Premiere in Wien feierte, war das Kino voll: Vor allem Frauen jeden Alters füllten den Saal und jubelten der anwesenden Autorin, die auch selbst Regie geführt hat, zu. Viele von ihnen kamen, weil sie bereits das Buch kennen und lieben. Eine Dame in der ersten Reihe meldete sich beim anschließenden Gespräch mit der Regisseurin zu Wort und beteuerte, dass sie sich zu Ehren des Anlasses extra einen Zopf geflochten hatte – „den ersten seit sechzig Jahren, denn ich bin 67“.

Laetitia Colombani schlug eine Welle der Liebe entgegen. Tatsächlich gelang der zierlichen Französin, Jahrgang 1976, mit „Der Zopf“ ein Bestseller: Die Geschichte von drei Frauen auf drei unterschiedlichen Kontinenten verkaufte sich in Frankreich an die zwei Millionen Mal – was auf eine Gesamtleserschaft von bis zu sieben Millionen Menschen schließen lässt; und wurde in 40 Sprachen übersetzt.

Ganz kann sie sich den umwerfenden Erfolg auch nicht erklären, gibt Laetitia Colombani im KURIER-Gespräch zu: „Frauen aller Altersgruppen und mit unterschiedlichem Background fühlten sich von meinem Buch angesprochen. Sie alle haben es an andere Frauen, Freundinnen, Mütter weitergegeben. Die Leserinnen haben mir immer wieder erzählt, wie nah sie sich meinen Figuren fühlen.“

Eine Frau mit braunen Haaren und einem grün-weiß-blauen Pullover blickt in die Kamera.

Schauspielerin, Regisseurin, Autorin: Laetitia Colombani  

Die Unberührbaren

Colombani ist gelernte Schauspielerin. Abgesehen von einem Cameo in „Der Zopf“ trat sie zuletzt im Drama „Menschliche Dinge“ auf, führte aber auch selbst Regie. In ihrem Psychothriller „Wahnsinnig verliebt“ spielte „Amélie“-Darstellerin Audrey Tautou die Hauptrolle.

Dann kam „Der Zopf“. „Ich wollte von Frauen erzählen“, sagt Laetitia Colombani, die sich schon länger mit der Idee zu einem Roman trug: „Ich bin früher sehr viel gereist und habe mit vielen Frauen geredet: Über ihre Herausforderungen, ihre Hoffnungen, ihre Kämpfe. Ich wollte über Frauen in der heutigen Welt schreiben, die völlig unterschiedliche Leben führen, aber mutig sind. Ich wollte zeigen, wie Frauen in unterschiedlichen Gesellschaften mit unterschiedlichen Traditionen für ihre Freiheit kämpfen.“

Eine Mutter flechtet ihrer Tochter im Freien die Haare, während diese eine Puppe hält.

Berührende Episode in Indien: "Der Zopf"

Die erste Episode von „Der Zopf“ spielt in Indien in der untersten Kaste, den Unberührbaren: Eine Mutter flüchtet mit ihrer kleinen Tochter aus ihrem Dorf, um dem Kind eine bessere Zukunft zu sichern. Das Mädchen wird von Sajda Pathan dargestellt, die als „Unberührbare“ auf den Straßen von Delhi bettelte und für den Film engagiert wurde. „Sie ist ein Naturtalent“, schwärmt die Regisseurin: „Wir haben ihr versprochen, dass wir sie nach den Dreharbeiten in die Schule schicken und unterstützen, bis sie erwachsen wird. Sie ist ein Beispiel dafür, dass man es trotz widriger Umstände schaffen kann.“ Die zweite Geschichte folgt einer jungen Süditalienerin, die das Perückengeschäft ihres Vaters retten möchte. Die dritte Episode schließlich führt nach Montreal, wo sich eine an Krebs erkrankte Anwältin einer Chemotherapie unterziehen muss.

Ein Mann mit Turban und eine Frau in einem weißen Kleid stehen am Strand.

Süditalienische Perückenmacher: Avi Nash und Fotini Peluso

Colombani erzählt Globalisierung nicht als Zuspitzung sozialer Ungerechtigkeiten, sondern als Suche nach menschlichen Gemeinsamkeiten.

Perücken

Die Inspiration zu „Der Zopf“ kam, als sie eine enge, an Brustkrebs erkrankte Freundin nach der Chemotherapie beim Kauf einer Perücke begleitete, erzählt Colombani: „Plötzlich hatte ich die Idee, die Geschichte von Frauen und ihren Haaren zu erzählen. Haare galten über Jahrhunderte hinweg als Symbol von Weiblichkeit. Haare haben interessantes Material: Sie wirken dünn und fragil, sind aber in Wahrheit stark und widerstandsfähig. Das passt gut zu meinen Figuren.“

Eine Frau im Mantel hält Akten in einem Bürogebäude.

Muss sich einer Chemotherapie unterziehen: Kim Raver in "Der Zopf"

Der immense Erfolg ihres Romans garantierte Colombani die Unterstützung von Produzenten, die ihren aufwendigen, auf drei Kontinenten gedrehten Film finanzierten – mit ihr als Regisseurin: „Sie haben mir vertraut, obwohl ich nicht James Cameron heiße. Ich bin allen Frauen dankbar, die mein Buch gelesen und in einen Bestseller verwandelt haben.“

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