„Bad Luck Banging oder Loony Porn“ nennt der Regisseur seine aberwitzige Satire auf die rumänische Gesellschaft: „Ein rumänischer Fernsehsender hat es sogar vermieden, den Titel meines Films auszusprechen“, erzählt Radu Jude gut gelaunt während eines virtuellen Pressegesprächs: „Es war nur von meinem ,neuen‘ Film auf der Berlinale die Rede. Aber es wäre mir ohnehin nicht recht, wenn jeder meine Geschichten nett fände.“
Die Chance ist gering.
Im treffsicheren Fokus seiner Kamera entsteht das scharfe Bild einer entsolidarisierten Gesellschaft im Zustand des konsumbewussten Dauerstress: Die Stadtbewohner wandern bei Gluthitze durch die Dauerbaustelle Bukarest, brüllen sich im Straßenverkehr nieder oder beschimpfen sich an der Supermarktkasse. Das Finale seines Films, in dem der Elternrat zusammentritt und darüber berät, ob die „Porno-Lehrerin“ weiter an der Schule bleiben darf, inszeniert Radu Jude als schrille Sitcom. Aufgebrachte Väter werfen der Lehrerin vor, dass sie die Schüler mit dem Holocaust indoktriniere, empörte Mütter fürchten um die Moral ihrer Kinder. Unnachgiebig wirbelt Radu Jude den Bodensatz der rumänischen Gesellschaft auf und schüttet ihn seinem Publikum ins Gesicht.
Danach würde man gern ein Bier trinken.
Am besten in einer Eckkneipe namens „Zur Brust“, so wie Daniel Brühl in seinem Regiedebüt „Nebenan“, das nach einem Drehbuch von Daniel Kehlmann entstand. Brühl übernimmt darin auch die Hauptrolle und spielt gekonnt mit seiner eigenen Starpersona: Er heißt auch Daniel, ist erfolgreicher Schauspieler und hofft auf seine erste Rolle in einem Superhelden-Film. Bevor er zu einem Casting nach London aufbricht, kehrt er noch einmal für einen Morgenkaffee in seinem Stammlokal ein. Dort lungert ein Gast herum und entpuppt sich als Daniels Nachbar. Ein ruppiges Gespräch beginnt, das zunehmend zu eskalieren droht.
Man hört in Kehlmanns Drehbuch ordentlich die Theaterbretter knarren, wenn die beiden Männer, an die Bar gelehnt wie an der Westernfront, zu langen, oft recht witzigen Dialoggefechten ausholen. Der Nachbar ist Ex-Ossi und Wiedervereinigungsverlierer, sein Neid auf den Erfolgstypen von nebenan liegt blank.
Peter Kurth als fieser Nachbar bietet dem selbstgefälligen Daniel – kongenial gespielt von Brühl – würdig die schauspielerische Stirn. Dessen selbstironische Haltung gegenüber der eigenen Karriere und dem, was mit Ruhm einhergeht, nähert sich zwar nie dem Abgründigen; doch die Gemeinheiten, die ins Ego des jeweiligen Gegners eindringen, werden zunehmend spitzer. Am Schluss hilft nur noch Alkohol.
Was für eine Vorstellung: Im Alter von acht Jahren trifft man auf seine Mutter, die ebenfalls gerade acht Jahre alt ist. Drei Tage lang führt man mit ihr eine Kinderfreundschaft. Wie würde sich das anfühlen? Dieser seltsamen Frage geht Céline Sciammas in ihrem zarten Zeitreisefilm „Petite Maman“ nach.
Nach dem Tod der Großmutter fährt Nelly mit ihrer Mutter Marion ins Haus deren Kindheit zurück. Plötzlich verschwindet die Mutter, Nelly trifft sie im Wald als gleichaltriges Mädchen wieder, wie sich nach und nach zeigt.
Dank dieses Zeitsprungs ist auch die Großmutter wieder am Leben. Die wundersame Begegnung erlaubt dem Mädchen, nicht nur, die Mutter besser zu verstehen, sondern auch, sich von der verstorbenen Großmutter noch einmal zu verabschieden.
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