Der Filmkurator und ehemalige Direktor des Österreichischen Filmmuseums lieferte in seinem fesselnden Filmessay nicht nur eine profunde Werkstudie von Henry Fondas ikonischen Filmrollen. Zudem verwebt er kenntnisreich Karriere und Biografie eines der strahlendsten Leinwandhelden der US-Filmgeschichte mit den düsteren Kapiteln des amerikanischen Kapitalismus. Fondas Werdegang von der Lichtfigur als angehender US-Präsident in „Der junge Mr. Lincoln“ bis hin zum Kinder-Killer in Sergio Leones Westernklassiker „Spiel mir das Lied vom Tod“ wird in Horwaths feinfühliger Lesart zu einer faszinierenden Hollywood-Erfolgsgeschichte mit Blick in gesellschaftspolitische Abgründe.
Melancholische Frauen
Eine neue Facette ihres Könnens zeigte das profilierte Regie-Duett Veronika Franz und Severin Fiala mit ihrem packenden Psychothriller „Des Teufels Bad“, das im Hauptwettbewerb gezeigt wurde und Chance auf einen Goldenen Bären hat.
Bislang reüssierten Franz und Fiala im heimischen Schock-Genre und machten mit Horrorexerzitien wie „Ich seh Ich seh“ und „The Lodge“ international Karriere. Mit ihrem aufwühlenden Drama „Des Teufels Bad“ geben sie eine neue erzählerische Schlagrichtung vor, verleugnen aber ihre Wurzeln im Horrorfach keineswegs.
„Des Teufels Bad“ bezeichnete im Volksmund des 18. Jahrhunderts jene Menschen, die unter Melancholie litten. Heute würde man „Depression“ dazu sagen. Damals wurde das seelische Leiden mit Schröpfen und Blutegeln behandelt.
Bei der jungen Agnes, die sich in Oberösterreich von 1750 in „Des Teufels Bad“ befindet, schlägt die – oft schmerzhafte – Behandlung aber nicht an; obwohl man ihr einen Faden durch den Nacken fädelt, sodass an den wunden Stellen das „Gift“ aus dem Körper tröpfeln kann. Vor der Erfindung der modernen Psychologie wurden seelische Verletzungen ausschließlich über den Körper erzählt, seine Verwundungen – und schließlich seine Bestrafung.
Franz und Fialas trefflicher Historienfilm basiert auf wahren Begebenheiten und widmet sich einem unbekannten Thema europäischer Frauengeschichte. Im 18. Jahrhundert begingen depressive Frauen „mittelbaren Selbstmord“: Nachdem Suizid als Todsünde galt, töteten betroffene Menschen – meist Frauen – unschuldige Kinder, beichteten ihre Tat und ließen sich hinrichten.
Soap&Dave
Die Sängerin und Musiker Anja Plaschg, auch bekannt als Soap&Skin, hat nicht nur den verstörenden Soundtrack zu „Des Teufels Bad“ geschrieben; eindrucksstark spielt sie die junge, bald sehr unglückliche Agnes als körperliche Tour de Force.
Die Rollenbesetzung an ihrer Seite überrascht auf den ersten Blick: Ausgerechnet „Dave“ – mit bürgerlichem Namen David Scheid – spielt Agnes’ struppigen Ehemann Wolf. Bekannt und beliebt als Wiener Kabarettist, FM4-Moderator und verkiffter Society-Reporter „Dave“ mit eigener TV-Serie und in „Willkommen Österreich“, zeigt David Scheid seine schauspielerische Bandbreite: Wolf mag seine Frau, obwohl er sie nicht begehrt, und versucht anfänglich, sie vor seiner herrischen Mutter – kalt gespielt von Maria Hofstätter – zu schützen. Doch die Kluft zwischen ihnen vertieft sich und mündet in blutiger Katastrophe.
Die Goldenen Bären werden am Samstag verliehen.
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