"Belshazzar": Die Augen werden überflutet, die Ohren eher ausgetrocknet

Mit seinem Film „Avatar: The Way of Water“ bricht Regisseur James Cameron derzeit alle Rekorde an den Kinokassen. Kein Wunder. Dieser visuell betörende wie allerdings ebenso überfordernde Blockbuster prunkt nur so mit Schauwerten.
Was das mit Georg Friedrich Händels 1745 in London uraufgeführten, vom damaligen Publikum abgelehnten Oratorium „Belshazzar“ zu tun hat? Sehr viel. Zumindest in der Neuproduktion, die das MusikTheater an der Wien in seiner Ausweichspielstätte, der Halle E des Museumsquartiers, auf die Bühne oder besser Leinwand gebracht hat. Denn auch hier geht es in der Regie der vom Film kommenden Regisseurin Marie-Eve Signeyrole um das Wasser, somit auch um den Kampf um diverse Rohstoffe. Denn der titelgebende babylonische Herrscher Belshazzar hat in dieser Adaption nicht nur das jüdische Volk versklavt und steht vor einem Krieg mit den Persern, während er seinen gewalttätigen und sexuellen Ausschweifungen nachgeht.
Wasser für alle!
Er hat auch das Wasser privatisiert. Das jedoch will der Perser Cyrus nicht akzeptieren – er (hier eine Sie) greift mit seiner Guerilla-Truppe an, während die geknechteten Juden auch in Gestalt des Propheten Daniel (hier eine Daniela) nach einer Mixtur für ewige Jugend suchen.

Gebrochene Königin: Jeanine De Bique als Nitocris
Fernsehen für alle!
Dazu kommt ein inzestuöses Verhältnis von Belshazzar mit seiner Mutter Nitocris, viel Sex und Gewalt, eine Modenschau als Party-Hit sowie diverse Deklamationen zu den Themen Umwelt und Wasser. Und all das wird auf „Royal TV“ live übertragen. Es ist eine Bilderflut, die Marie-Eve Signeyrole auf die stilvolle Bühne (Fabien Teigné, Kostüme: Yashi)) loslässt; als Zuseher wird man optisch überflutet. Signeyrole und ihr Team ernteten dafür auch Buhrufe. Gut gemacht ist das Ganze allemal. Eine Art „Avatar“ auf der Opernbühne; Striche wären dennoch schön gewesen.
Zumal die musikalische Seite nicht ganz überzeugen kann. Zwar ist der britische Tenor Robert Murray als Belshazzar ein darstellerisch expressiver Singschauspieler, der auch in Close-ups bestehen kann. Und auch Jeanine De Bique steht ihm als seine Mutter Nitocris um nichts nach. Eva Zaïcik gibt einen sicheren Daniel (Daniela), Michael Nagl einen präsenten Gobrias. Warum Vivica Genaux als Cyrus mit Mikroport singt, bleibt ein Geheimnis. Wundervoll hingegen der sehr geforderte Arnold Schoenberg Chor.
Schade nur, dass Dirigentin Christina Pluhar mit ihrem an sich sehr gutem Ensemble L'Arpeggiata musikalisch meist eher auf vegane Kost setzt. Bei diesen saftigen Bildern verkommt die Musik dabei zum Beiwerk.
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