Beginner: Erwartungen, Mut und Thomas Anders

Die Beginner sind: Denyo, Jan Delay, DJ Mad (v. li.)
Die Hip-Hop-Formation veröffentlicht das erste Album seit 13 Jahren.

2003 gab es das letzte Album der Beginner, den Mitbegründern des Deutsch-Rap. Seither hat Jan Delay solo groß Karriere gemacht, Denyo klein und DJ Mad arbeitete mit Xavier Naidoo, Marteria und Seeed. Zum Comeback treten die Hamburger zwar nicht innovativ, aber immer noch unterhaltsam an.

KURIER: Sie haben das neue Album nach der Band Advanced Chemistry benannt, die Sie inspirierte, Musik zu machen. Warum kommt die erst jetzt zu solchen Ehren?

Jan Delay: Wir machen zuerst die Musik. Über den Namen machen wir uns zu aller-allerletzt Gedanken. Da überlegt man dann, was passen würde. Bei "Bambule" hatten wir eben das gefunden. Und jetzt "Advanced Chemistry".

Dennis "Denyo" Lisk: Angenehm an dem Titel ist, dass wir damit den Leuten noch einmal sagen, warum wir zum Rap gekommen sind. Denn nach 25 Jahren kennt uns nicht mehr jeder. Es gibt bestimmt Leute, für die wir Newcomer oder die neue Band von Jan Delay sind.

Wie war es, nach all den Jahren wieder zusammenzuarbeiten?

Dennis "Denyo" Lisk: Natürlich kommt es den Leuten so vor, dass wir diese Platte innerhalb kürzester Zeit gemacht haben. Aber wir haben einen sehr hohen Qualitätsanspruch. Weil da auch Misserfolge dabei sind, man denkt, man hätte tolle Songs und merkt dann, dass die aber eigentlich gar nicht so geil sind, war das ein fünf Jahre langer Prozess. Wir haben uns auch nie aus den Augen verloren. Wir sind wie eine Familie, die zusammen Musik macht, und eh immer miteinander im Austausch.

"Es war einmal" ist ein Rückblick auf Ihre Anfänge. Haben Sie während der Aufnahmen alte Anekdoten ausgetauscht?

Jan Delay: Das kam erst, als wir unser ehemaliges viertes Mitglied eingeladen haben. Da war die Platte schon fast fertig. Er hat angefangen, alte Anekdoten rauszuholen, über die wir uns weggeschmissen haben.

Dennis "Denyo" Lisk: Bei "Es war einmal" war es natürlich schon so. Da haben wir die alte DVD angeschaut und uns daran erinnert, was wir früher für Scheiße gebaut hat.

Wofür genieren Sie sich heute?

Jan Delay: Für mich ist das alles vor "Bambule" – das kann ich von mir Rap-mäßig nicht ertragen. Das hat alles keinen Flow, die Reime sind viel zu hektisch und viel zu aufgekratzt. Das ist wie Gänse-Geschnatter – anstrengend!

In dem Song "Thomas Anders" geht es um das neue Spießbürgertum. Warum ist der Modern-Talking-Mann dafür ein Symbol?

Dennis "Denyo" Lisk: Das ist eigentlich nur ein Wortspiel. Denn in dem Song geht es darum, anders zu sein. Sonst hat es nichts mit der Person von Thomas Anders zu tun. Es geht darum, den Mut zu haben und haben zu wollen, so zu sein, wie man ist, und darauf zu pfeifen, wie andere Leute das finden.

Glauben Sie, dass den jungen Leuten der Wille dazu fehlt?

Dennis "Denyo" Lisk: Ich glaube, es wird ihnen schwer gemacht. Die Erwartungshaltungen an die Karriere, daran, wie man zu leben hat und ab wann jemand eine souveräne Person ist, sind – vielleicht unbewusst – aber permanent da. Unsere Gesellschaft ist halt generell so, dass man sehr großem Druck ausgesetzt ist. Und deshalb trauen sich sehr viele Junge nicht, das zu machen, was sie wirklich machen wollen.

Beginner: Erwartungen, Mut und Thomas Anders
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In dem Song "Spam" geht es um die Vielfalt der Informationen, die über das Internet kommen. Sie kritisieren, dass sich die Leute politisch nicht mehr engagieren. Ist es nicht logisch, dass sich die jungen Leute unter der Flut der Eindrücke irgendwann zurückziehen?

Dennis "Denyo" Lisk: Sicher. Als junger Mensch – oder auch als Mensch generell – hat man immer das Gefühl, es passiert so viel Wahnsinn. Wie kann ich da noch etwas verbessern oder ändern? In dem Song geht es um den dadurch bedingten kulturellen Werteverfall: Man postet, um am Geschehen teilzunehmen, der Inhalt wird immer unwichtiger. Man geht nicht auf die Party, um zu feiern, sondern weil man dort ein Instagram-Foto zum Posten machen kann.

Gerade Sie Herr Delay, sind anders sozialisiert worden und in einem besetzten Haus aufgewachsen. Vermissen Sie es, dass das Engagement der Jungen nicht mehr so stark ist?

Jan Delay: In dem Song geht es darum, dass Leute glauben, dass es schon politisches Engagement ist, wenn man auf einer Online-Petition einmal auf Like clickt. Aber ich finde es müßig, zu sagen, früher war alles besser. Die Zeit bringt so viele Neuerungen. Wie zum Beispiel das Net, wo vieles auf einen einprasselt, wo aber andere Aktionen, die früher nie als politisch gegolten hätten, viel politischer sind. Das wird gerne übersehen. Und auch, dass Hip-Hop heute die größte Jugendkultur auf dem ganzen Planeten ist. Das alleine ist schon ein unglaublich großes politisches Engagement, das es früher nicht gab.

INFO

Die Beginner auf Österreich Tournee.

17. 11. Wien/Gasometer

18. 11. Linz/TipsArena

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