Die Bilder, die die Albertina nun in einer Werkschau in der Pfeilerhalle des Museums bis 15. September ausstellt, stammen nicht aus dieser Zeit, sondern sind großteils jüngeren Datums. Es ist ihnen auch die Bewältigung der Biografie vordergründig nicht anzusehen, auch wenn einige Titel - etwa "Family Constellation Therapy", deutsch etwa "Familienaufstellung", oder "Uncharted Suffering" (etwa: "Ungeklärtes Leid") - entsprechende Hinweise geben.
Verdrängtes im Faschingskostüm
Was durchaus zu sehen ist, dass von allen Seiten und aus allen Ecken Menschen, Objekte und Dingwesen in den Bildraum emporsteigen, von Teddybären und Kleinkindern bis zu Versatzstücken aus der Kunstgeschichte - und dass alles in einer Weise zusammenkommt, wie es nur durch Malerei zusammenkommen kann.
Albertina-Kuratorin Angela Stief spricht von "Schnellmalerei", Beresin selbst beschreibt ihren Prozess als einen, in dem Assoziationen und Ideen nach und nach aufsteigen und sich zum Bild fügen. Doch man ist geneigt zu widersprechen - denn bei allem Überschwang stecken die Bilder so sehr voller Anspielungen und schräger Referenzen, dass sich in ihnen wohl ein Leben des Sammelns, Schauens und Assoziierens entlädt. Und wenn auch die Dinge schnell auf die Leinwand kommen mögen, so ist doch gleich zu erkennen, dass die Malerin ihren Pinsel mit höchster Meisterschaft führt - und auch einen klassischen Frauenakt buchstäblich aus dem Ärmel schütteln kann.
In einem Bild wie "The Joys of Physical and Mental Pain" ("Die Freuden des körperlichen und seelischen Schmerzes") drängen sich zwei solche Figuren in einem Nebenraum, während in einem scheinbar mit Schachbrett verfliesten "Hauptraum" ein Baby in einer Gehschule, mehrere nackte Frauen und einige buchstäblich schräge Vögel zugegen sind. Man kann sich dazu eine Handlung ausdenken, mögliche Deutungen anlegen (geht es um Mutterschaft? Um Psychoanalyse? Um alles zusammen?), aber auch einfach nur bewundern, wie sowohl eine Erzählung als auch pure Dynamik direkt aus der Farbe und dem kreativen Akt der Malerei heraus entsteht: Viele nass in nass gemalte Details lassen sich erst direkt vor der Leinwand erkennen.
Influencer als Entdecker
Dass Beresin der Internet-Dynamik einen Teil ihres frischen Ruhms verdankt - der online höchst aktive New Yorker Sammler, Händler, Journalist und "Influencer" Kenny Schachter erweiterte ihren Kennerkreis ab 2019 maßgeblich - ist da fast verwunderlich, denn ihre Malerei verrät auf Instagram nur einen kleinen Teil ihrer Magie. Allerdings baut Beresin die Ästhetik von Handybildern und Selfies ebenso in ihre Werke ein wie das Referenzuniversum der Kunstgeschichte - das Groteske eines Francisco de Goya oder James Ensor hallt in ihnen mit, teils werden auch Vorbilder wie die unheimlichen Kuscheltiere eines Paul McCarthy oder Picassos "Guernica" direkt zitiert.
Die offensichtlichste Kunstgeschichte-Paraphrase hängt an der Stirnwand des als "Kapelle" bekannten Ausstellungsraums: Leonardo da Vincis Abendmahl ist hier auch für Laien als Vorbild zu erkennen, allerdings heißt das Werk hier "The Seven Spiritual Laws Of Success" (Die sieben geistigen Gesetze des Erfolgs"). Namenspatron ist ein Selbsthilfe-Bestseller des US-Gurus Deepak Chopra, der scheinbar auf dem Tisch der Apostelgesellschaft liegt.
Wenn man nah genug herangegangen ist, um den in Farbe eingeritzten Titel zu erkennen, wird man auch sehen, dass vor Jesus ein Fläschchen "Iberogast" auf dem Tisch steht. Vielleicht sind spirituelle Erfolgsrezepte, Verdauungshilfen und weibliche Kuratorinnen (und eine Portion Witz) Künstlerinnenkarrieren mittlerweile ja dienlicher als mächtige Fürsprecher.
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