Beethovens einzige Geliebte

Beethovens einzige Geliebte
Das Musikgenie hat mehrere Frauen verehrt, doch nur bei einer fand er die Erfüllung.

Es war eine Begegnung wie Musiker sie nicht selten erleben. Eine Gräfin namens Anna von Brunsvik meldet im Mai 1799 ihre Tochter Josephine als Klavierschülerin beim berühmten Komponisten Ludwig van Beethoven in Wien an. Der verliebt sich in die 20-jährige Schönheit, die ihn ebenfalls verehrt und zur einzigen Geliebten seines Lebens werden sollte. Doch bis dahin vergehen Jahre.

Beziehung verhindern

Denn als Frau von Brunsvik von der Schwärmerei ihrer schönen Tochter für den um acht Jahre älteren, mittellosen und vor allem nicht aristokratischen Musiker erfährt, setzt sie sofort Maßnahmen, um eine Beziehung zu verhindern. Indem sie ihre Tochter drängt, den um 27 Jahre älteren Grafen Joseph Deym zu ehelichen. Josephine beugt sich dem Diktat der Mutter und heiratet den Grafen.

Doch der stirbt nach vier Jahren Ehe. Josephine bringt wenige Wochen nach seinem Tod ihr viertes Kind zur Welt. Und Beethoven sieht nun erneut seine Chance gekommen. Er schreibt ihr – nach angemessener Trauerfrist – feurige Liebesbriefe, in denen er sie als "Geliebte" oder als "Engel meines Lebens" bezeichnet. Auch ihre Reaktionen lassen keinen Zweifel offen: "Mein Herz haben Sie schon längst, lieber Beethoven, ich liebe Sie unaussprechlich."

Beethovens einzige Geliebte
Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für das Herkunftsland des Werks und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers. Quelle: Ludwig van Beethoven, Briefwechsel. Gesamtausgabe, hrsg. von Sieghard Brandenburg, München 1996, Band 1, S. 234 https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AJosephine_Brunsvik.jpg

15 seiner Briefe und die Entwürfe einiger ihrer Antworten sind erhalten geblieben, und doch wurde die zarte Annäherung infolge des unüberwindlichen Standesunterschieds von beiden Seiten so geheim gehalten, dass die Korrespondenz erst nach eineinhalb Jahrhunderten, im Jahr 1957, aus ihrem Versteck geholt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Eine Heirat der Liebenden war ausgeschlossen, da Josephine damit ihre Stellung als Aristokratin und auch die Erziehungsgewalt über ihre Kinder verloren hätte.

Der nächste Mann

Dennoch ist Beethovens Romanze nicht beendet. Und das, obwohl für Josephine jetzt wieder ein aristokratischer Ehemann gesucht – und gefunden – wird. Sie lernt den Freiherrn Christoph von Stackelberg kennen, den sie als Erzieher ihrer Kinder gewinnen will, der diese Aufgabe aber nur unter der Bedingung übernimmt, dass sie ihn heiratet. Sie erklärt später, ihn nie gemocht und nur aus Liebe zu ihren Kindern geehelicht zu haben. Beethoven ist verzweifelt.Vier Jahre nach der Heirat des als eitel und egozentrisch beschriebenen Stackelberg kommt es in Prag zum schicksalhaften Treffen Josephines mit Beethoven, das zum ersten sexuellen Kontakt der beiden führt.Es war die kanadische Musikhistorikerin Rita Steblin, die im Jahr 2007 den ersten Nachweis erbrachte, dass Beethoven und Josephine einander – vermutlich am 3. Juli 1812 – in Prag getroffen haben. Die unvorhergesehene Begegnung bei einem Spaziergang endet in einer leidenschaftlichen Liebesnacht.

Das Treffen ist reiner Zufall, der Zeitpunkt der körperlichen Vereinigung wohl nicht, da Josephine gerade jetzt infolge ihrer unheilvollen Ehe die schlimmste Phase ihres Lebens durchmacht und in Beethoven bei jenem Mann Trost sucht, der ihr seit mehr als einem Jahrzehnt nahe steht.Beseligt von den Prager Liebkosungen, schreibt Beethoven seinen berühmten Brief an die "Unsterbliche Geliebte": "Schon im Bette drängen sich die Ideen zu Dir, meine Unsterbliche Geliebte... Leben kann ich entweder nur ganz mit Dir oder gar nicht, ja ich habe beschlossen, so lange herumzuirren, bis ich in Deine Arme fliegen kann."Neun Monate nach dem Treffen in Prag bringt Josephine ihre Tochter Minona zur Welt. Es bestehen kaum Zweifel, dass Beethoven der Vater des am 8. April 1813 geborenen Mädchens ist. Der Name Minona ergibt rückwärts gelesen Anonim. "Die Tochter des bedeutendsten lebenden Musikers sollte in Anonymität aufwachsen", erklärt die Musikforscherin Marie-Elisabeth Tellenbach.

Die letzte Begegnung

Ein Jahr nach der Geburt Minonas beendet Josephine ihre unglückliche Ehe mit Christoph von Stackelberg. Beethoven und Josephine treffen einander noch einige Male, bis es im Sommer 1816 zur vermutlich letzten Begegnung kommt. Das Musikgenie ist mittlerweile vollkommen taub und Josephine lebt, kränklich und mittellos, im Streit mit ihrer Familie.Mit 8. April 1818 ist Josephines letzter Brief an Beethoven datiert. "Was Deine Erscheinung in meinen Empfindungen weckt", schreibt sie, "kann ich nicht schildern. In eins zusammen schmelzen kann nur dann geschehen, wenn wir zuerst in eins geschmolzen sind mit dem Ewigen …" Was so viel bedeutet wie: erst nach dem Tod.

Dass die beiden Liebenden nie geheiratet haben, liegt sowohl am Standesunterschied als auch an Beethoven selbst, der für seine Kunst lebte und mit ihr gleichsam verheiratet war. Er war in seinem Leben mehrmals verliebt, wurde aber entweder nicht erhört oder er selbst schreckte vor einer Bindung zurück, weil er vermeinte, dass eine solche sein Schaffen einschränken oder gar gefährden könnte.

Keine andere

Und so blieb Josephine von Brunsvik Beethovens einzige Geliebte. Sie stirbt einsam und verarmt 1821 in Wien im Alter von 42 Jahren an "Nervenschwindsucht".

Beethoven überlebt sie um sechs Jahre. Und befolgte, was er in seinem Brief an die "Unsterbliche Geliebte" 1812 beteuert hatte: "Nie eine andere kann mein Herz besitzen, nie, nie." Josephine blieb tatsächlich die einzige Frau seines Lebens. Er schwor ihr ewige Treue – und hielt sich daran.

Beethovens vermutliche Tochter Minona hinterließ mehrere Kompositionen, die auf eine beachtliche musikalische Begabung schließen lassen. Sie starb 1897 im Alter von 83 Jahren in Wien. Da sie unverheiratet und kinderlos geblieben war, gibt es keine direkten Nachkommen Ludwig van Beethovens.

Der KURIER bringt Auszüge aus dem eben erschienenen Buch von Georg Markus, „Fundstücke“, in dem er historische Geschichten erzählt, die sich aus ihm zugespielten Tagebüchern, Briefen, Testamenten und anderen Dokumenten ergaben, darunter: „Das Tagebuch des letzten Adjutanten Kaiser Franz Josephs“, „Der verliebte General“, „Der Anfang vom Ende der Donaumonarchie“, „Anna Sachers große Liebe“, „Verbotene Briefe aus dem Konklave“, „Der frühe Tod von Goethes Enkelin in Wien“, „Malerfürst und Tochter der Sünde“, „Frau Alma hatt’ auch einen Pfarrer“, Schloss Mayerling vor der Tragödie“ u. v. a.

Georg Markus, „Fundstücke. Meine Entdeckungsreisen in die Geschichte“, Amalthea Verlag, 280 Seiten, Fotos & Dokumente, € 25,-. Erhältlich im Buchhandel oder – handsigniert vom Autor – im kurierclub.at

Beethovens einzige Geliebte
Amalthea Verlag

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