Bachmann-Preis vergeben: Ein ausgezeichneter Schrank

Birnbacher eroberte den Hauptpreis
Die österreichische Soziologin und Autorin Birgit Birnbacher gewinnt.

Der 43. Ingeborg-Bachmann-Preis (25.000 Euro) ging  an die österreichische Autorin  Birgit Birnbacher. Sie setzte sich in einer Stichwahl – 3SAT übertrug die Abstimmungsvorgänge live – knapp mit vier zu drei Stimmen gegen Yannic Han Biao Federer durch.
In ihrem Text geht es um den Mikrokosmos eines Mietshauses, um die prekären Lebensverhältnisse dort – und um einen merkwürdigen Gegenstand, einen Biedermeier-Schrank, der Unruhe in dieses Soziotop bringt.

In einer ersten Reaktion zeigte sich  Birnbacher überwältigt: „Wahnsinn, völlig verrückt. Der Preis bedeutet uns allen sehr viel, es sind viele da, die ihn verdient hätten.“ Birnbacher wird weiter als Soziologin arbeiten, Schreiben wird sie daneben – „beides muss gehen“.

Mit dem Deutschlandfunk-Preis (12.500 Euro) wurde der Österreicher Leander Fischer ausgezeichnet. Sein  Text erzählt von einem   genervten Musiklehrer, der sich in der Kunst des Knüpfens von Ködern  für das Fliegenfischen verliert. Jury-Vorsitzender Hubert Winkels: „Der Text schafft es, (...) das Vergnügen am Fertigen eines Kunstwerkes zu vermitteln.“

Dunkle Vergangenheit

Den Kelag-Preis (10.000 Euro) bekam originellerweise die aus Kärnten stammende Autorin Julia Jost für ihre  in schnoddrigem Ton verfasste Erzählung über einen Unglücksfall in einem Kärntner Tal, der Dunkles aus der Vergangenheit hervorbringt. In seiner Laudatio lobte Juror Klaus Kastberger besonders den „Humor und die erzählerische Distanz“.

Der 3SAT-Preis (7500 Euro) ging an  den Kölner Autor Yannic Han Biao Federer für seine Geschichte über eine Trennung, in der schließlich der Autor selbst verloren geht – und die mit der Beschreibung über seine kackende Möwe endet.

Hildegard Keller verglich den Text mit den Bildern von Maria Lassnig und lobte die Technik des Schreibens: „Alle Figuren werden mit jedem Satz andere.“ Und Keller hob hervor, der Text zeige „die Kraft , die eigene Lebensrolle neu zu schreiben“.

Den per Online-Voting vergebenen Publikumspreis (7000 Euro) bekam die Leipziger Journalistin und Autorin Ronya Othmann für einen zutiefst beklemmenden Text über eine Reise ins Kurden-Land, die schreckliche Gräueltaten des IS an den Jesiden zu Tage bringt.

Traditionsgemäß hielt der Jury-Vorsitzende die Schlussrede. Hubert Winkels: „Ich darf den Vorhang zuziehen. Es war ein gutes Jahr, oder, wie Weinliebhaber sagen, ein guter Jahrgang.“ Ausdrücklich hob er die Vielfalt der heurigen Texte hervor.

Rollenmuster

Winkels bezog sich noch einmal auf die viel beachtete Eröffnungsrede des Schriftstellers Clemens Setz, der Rollenzuschreibungen anhand des amerikanischen Show-Sports Wrestling beschrieben hatte. Winkels: „Das gilt aber für alle Systeme, für Staaten, Fußball, Literatur – wie sind wir alle in Rollenmustern gefangen?“

Literatur beobachte diese Systeme, so Winkels, die Jury beobachte die Literatur, und das Publikum beobachte wiederum die Jury. „Und das finde ich gut.“

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