Hilft Ihnen die Musik, besser mit den Depressionen umzugehen? Und wie schwer fällt es Ihnen, darüber öffentlich zu sprechen?
Ich habe zum Musizieren angefangen, nur um irgendwie mit meinen Gedanken und Emotionen fertig zu werden – eine Therapie-Stunde mit mir sozusagen. Musik ist mein Anker, und ich wüsste gar nicht, was ich ohne sie machen würde. Mittlerweile fällt es mir nicht mehr so schwer, öffentlich darüber zu sprechen, jedoch musste ich auch da erst hineinwachsen – das geht nicht von heute auf morgen. Mit dem Song „Under Water“ fing es 2018 an. Das Feedback, das ich danach bekommen habe, hat mir die Augen geöffnet, hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, darüber zu sprechen und den Leuten klarzumachen, dass sie nicht alleine damit sind.
„Homesick“ hat zwei Persönlichkeiten: Einerseits ist da die melancholische Seite, dann gibt es noch die musikalisch fröhliche, zum Tanzen einladende Seite. Kann man tanzen und weinen gleichzeitig?
Das Leben hat mir gezeigt, dass es aus jeder Dunkelheit wieder ein Licht hinaus gibt. Gleichzeitig tanzen und weinen ist wunderschön, allen Emotionen freien Lauf lassen – ich denke schon, dass das eine irgendwie zum anderen gehört. Viele meiner Songs haben einen fröhlichen, tanzbaren Sound, der Text jedoch erzählt von Traurigkeit. Ich glaube, das spiegelt mich als Person am besten wider.
Sie sind für das Album zum ersten Mal in die Produzentenrolle geschlüpft. Wie war’s?
Ich habe „Homesick“ mit meinem besten Freund und Kollegen Andreas Häuserer produziert und es war auf jeden Fall eine neue Erfahrung für mich. Trotz der Herausforderung habe mich unglaublich wohl dabei gefühlt und auch viel gelernt.
Was zum Beispiel?
Man hat zwar im Vorfeld eine Vorstellung davon, in welche Richtung es gehen könnte bzw. sollte, aber im Endeffekt macht das „Ding“ eh das, was es will (lacht). Die Musik zeigt uns den Weg.
Orientiert man sich da an Alben von anderen Künstlern? Welche Einflüsse haben für dich bei diesem Album eine wesentliche Rolle gespielt?
Auf jeden Fall Bon Iver – diese Band und Justin Vernon als Person und Künstler inspiriert mich immens.
Wann (in welchen Zeitraum) und wo sind die Songs entstanden?
„Fire“ und „Runaway“ habe ich 2017 geschrieben, einige Songs sind dann im Juli 2019 in Berlin entstanden - in Zusammenarbeit mit wundervollen Künstlern und Produzenten. Die Pre-Produktion passierte im Keller von Andreas Häuserers Elternhaus, da haben wir ein kleines Studio eingerichtet. Zum Aufnehmen selbst sind wir in ein altes Bauernhaus mitten im Nirgendwo gegangen.
Wie gehen Sie als Künstlerin mit der aktuellen Corona-Zeit um?
Ich arbeite sonst auch sehr viel von Zuhause, deswegen ändert sich hier nichts. Natürlich vermisse ich meine Freunde und Kollegen in Wien, aber grundsätzlich geht es mir gut. Ich nutze die Zeit, um Musik zu machen, um mich weiter zu entwickeln, um zu reflektieren und etwas (innere) Ruhe zu finden. Manchmal funktioniert das besser, manchmal schlechter – jeder Tag ist anders.
Viele freischaffende Künstler sind stark von der Krise betroffen, habe keine Einkünfte. Sollte man sich für die Zukunft eine bessere Absicherung überlegen?
Ich finde es gut, dass es Förderungen und Fonds gibt für uns Künstler – keiner hätte mit so einer Krise rechnen können und wir sitzen alle im selben Boot. Die Kunst war einer der ersten Bereiche, die geschlossen wurden und wird einer der letzten sein, die irgendwann wieder vollständig in Betrieb ist. Ich denke, oder wünsche mir vielmehr, dass wir und unsere Arbeit einfach etwas mehr "gesehen" und respektiert werden, denn ohne Kunst ist es doch etwas fad.
Die Psyche leidet unter der aktuellen Corona-Krise. Wie schätzen Sie das ein? Werden viele Menschen mit einer Depression aus der Krise kommen?
Ich bin keine Therapeutin, ich weiß es nicht. Ich denke nur, dass es für niemanden eine leichte Zeit ist und jeder auf sich selbst vertrauen sollte und hören sollte, was gut für einen ist und was nicht – was einem gut tut und was nicht. Ich glaube, es ist auch sehr viel Angst im Spiel, mit seinen Gedanken alleine zu sein, sich mit sich selbst beschäftigen zu müssen, was oft viel schlimmer klingt als es dann ist – es kann auch eine Chance sein, sich besser kennen zu lernen, sich besser verstehen zu lernen.
Sie sind normalerweise viel auf Tour, also immer unterwegs. Was bedeutet für Sie eigentlich Zuhause?
Ich wohne in Vöcklabruck in Oberösterreich. Ich bin kein Stadtmensch und fühle mich am Land am wohlsten, mit so wenig Menschen wie möglich - was nicht heißen soll, dass ich Menschen nicht mag (lacht). Für mich ist Zuhause mehr ein Geisteszustand als ein Ort, auch mehr eine Person als vier Wände. Zuhause bedeutet für mich frei zu sein, so sein zu können wie ich bin, ohne eine Rolle zu spielen.
So gut wie jeder Künstler, der Internet hat, bietet gerade Livestreams an, um Kontakt mit den Fans zu halten. Wann darf man da von dir etwas erwarten?
"Erwarten" finde ich etwas schwierig in diesem Kontext, um ehrlich zu sein. Ich habe einen Livestream gemacht, aber nur weil mit mein Freund und Kollegen Andreas Häuserer dabei unterstützt hat. Mit Social Media muss man sehr vorsichtig umgehen, vor allem in Krisenzeiten. Ich kann nur so viel geben, wie ich geben kann und möchte. Dieser ständige Druck, auf Social Media präsent zu sein und immer da zu sein, kann sehr gefährlich sein. Ich war vor Corona kein Social Media-Fan und bin es auch jetzt nicht.
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