„Klimt im ursprünglichen Ambiente zu zeigen, ist ein ganz frischer Ansatz“, sagt der Kunsthistoriker Tobias G. Natter im KURIER-Gespräch. „Die Fotografie ist ein relativ neues Medium damals. Und die Secession die erste, die ihre Ausstellungen durchfotografieren lässt. Deshalb konnte dieses Buch nur in Wien und für Klimt entstehen. Denn in Paris hängen die Bilder von Picasso, van Gogh oder Monet in ganz anderen Wohnungen, in schönen Salons im Stil Louis XVI.“
An der Seine lässt Klein-Versailles grüßen, und hier im Wien um 1900 gibt es mit der Wiener Werkstätte, Josef Hoffmann, Kolo Moser, dem Freundeskreis, den Sammlern und Mäzenen um Klimt „eine kleine eingeschworene Gemeinschaft“, so Natter, „die in einem faszinierenden Zusammenwirken etwas auf die Beine gestellt hat an der Schnittstelle von Malerei, angewandter Kunst, Avantgarde-Design und Raumkunst“.
Erstaunlich, dass das noch niemand thematisiert hat mit den alten Fotos, in denen neben der ganzen Pracht viel Emotion wie Melancholie, gelebtes Leben und Reflexion mitschwingt, wenn man die Industriellengattin Szeréna Lederer vor ihrem Jugendbildnis von Klimt stehen sieht.
Thema Quadrat
Klimt. Gleiches Thema, anderer Schauplatz: In der neuen Ausstellung „We ❤“ (bis 25. 8.) in der Heidi Horten Collection mit 150 Werken u. a. zum Expressionismus, zur Durchbrechung des klassischen Leinwandbildes oder zur Pop-Art steht bei der von Natter kuratierten Kabinettspräsentation „Focus“ Klimts „Kirche in Unterach am Attersee“ (1915/’16) im Mittelpunkt. Thema und roter Faden ist dabei das Qua-drat, Klimts „Markenzeichen“.
Grafischen Arbeiten der Epoche Wien um 1900 – u. a. dem Farbholzschnitt „Das große Dach“ von Broncia Koller-Pinell, den fantastischen Wasserspiegelungen im Linolschnitt „Nächtliche Szene – Blauer Weiher“ von Hugo Henneberg und der Collage „Piran “ von Emil Pichan – sind Positionen zeitgenössischer Künstler gegenübergestellt, u. a. dem Bauhaus-Künstler Josef Albers, Jean-Michel Basquiat und Sylvie Fleury mit „Diamonds 5329“, die in Wahrheit industriell gefertigte Bleikristalle auf Plexiglas im Quadrat versammeln.
Besucher können die künftige Dauerausstellung in der Heidi Horten Collection mitgestalten und mittels Smartphone oder Stimmzettel aus 46 Kunstwerken auswählen, darunter Werke von Roy Lichtenstein oder René Magritte.
Die beliebtesten 20 werden nächstes Jahr dauerhaft im Museum gezeigt. „Die Kirche in Unterach wird beim Voting sicher unter den Top-Bildern sein, weil Klimt ein Publikumsliebling ist“, so Natter. „Für mich gehört das Bild zu den Klimts schönsten Landschaften.“ Aber auch dessen Provenienz, die er nun erstmals im Detail erforscht hat, „macht das Gemälde zu einem Schlüsselwerk der österreichischen Kunstgeschichte“.
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