"Aus der Enge herausgestrampelt"

"Aus der Enge herausgestrampelt"
Er ist ein Besessener, für den nichts unmöglich scheint: Reinhold Messner hat die höchsten Gipfel bestiegen, Eiswüsten durchquert und den Yeti gesehen. Nun ist er im Kino gelandet.

Ihm zuzuhören ist eine wahre Freude: Jedem Journalisten, der mit Reinhold Messner im Wiener Café Berg spricht, wird die Zeit zu kurz. Der 68-Jährige ist ab Freitag in der Kinodoku "Messner" zu sehen.

KURIER: Herr Messner, hätten Sie einen Film über sich genauso gemacht wie Regisseur Andreas Nickel?
Reinhold Messner:
Das ist nicht mein Film und ich würde schon einiges daran ändern. Hier wird über viele einzelne Geschichten der Mensch Messner aufgeschlüsselt. Das hat der Nickel eigentlich gut hingekriegt. Aber das muss ich schon sagen: Wenn ich einen Film machen würde, dann ließe ich mir von niemandem auch nur ein Wort dreinreden. Dann nähme ich die ganze Verantwortung auf mich und wüsste bei jeder Szene, warum ich das so mache.

Liegt, so wie der Film das suggeriert, der Wurzel Ihrer ausgeprägten Persönlichkeit in der Familie?
Sicher. Alle glaubten ja, in unserem Familienkonglomerat (Messner wuchs mit acht Geschwistern auf, Anm.) hatte der Vater die Macht, aber er hatte nur eine Pro-forma-Vormachtstellung. Im Grunde herrschte bei uns das Matriarchat. Die Mutter hat das Ganze stillschweigend zum Erfolg geführt. Ich hab dann auch bei meinen Reisen gesehen: Dort, wo das Matriarchat lebendig geblieben ist, funktioniert alles viel besser. Mütter wissen immer ganz genau, wie ihre Kinder ticken und wie man ihnen die größtmögliche Chance zum Weiterkommen gibt.

Ist es auch Verdienst Ihrer Mutter, dass Sie und Ihre Geschwister die Provinzialität hinter sich gelassen haben und alle Akademiker geworden sind?
Sie hat immer darauf geachtet, dass alle die Möglichkeit haben, einen ordentlichen Beruf zu lernen. Und da kam im Grunde nur eine Akademikerlaufbahn in Frage, weil wir ja keinen Besitz hatten. Wir hatten nur eine Geflügelfarm und konnten daher in unserem kleinen Südtiroler Tal kein Auskommen finden.

Sie waren der Aufmüpfigste in der Familie.
Ich bin sehr früh gegen Widerstände angerannt und wollte sie meistern. Auch eine Felswand ist ja ein Widerstand. Ich hatte diesen Durst nach einem selbstbestimmten Leben und habe mich aus der Enge herausgestrampelt.

Obwohl Sie schon viele schlimme Dinge erlebt haben – etwa den Tod Ihres Bruders Günther am Nanga Parbat – sind Sie dennoch ein positiver Mensch geblieben, Was macht Sie dazu?
Ich hatte das Glück, primäre Erfahrungen zu machen, die sonst kaum einer macht. Ich habe die Zivilisation verlassen und bin in eine archaische Welt gegangen, in der ich mir meine eigenen Regeln aufstellte. Am Everest sagt dir niemand mehr, was du machen musst, da entscheidest du selbst und trägst die ganze Verantwortung. Niemand anderer kann zur Rechenschaft gezogen werden, wenn etwas falsch läuft. Das hat mich weitergebracht.

Man sieht ihn "daheim", auf den Bergen: zuerst in Villnöss, dem Dorf, dessen bürgerlicher Enge er entfloh. Dann auf den Achttausendern dieser Welt, die er bezwang wie den Zorn seines Vaters. In der Wüste Gobi, in Grönland und am Nordpol; schließlich vor seinen Südtiroler Schlössern, die er zu imposanten Museen umbauen ließ. Was sich Reinhold Messner vornimmt, das zieht er durch, das ist die Botschaft.

Die Doku ist hoch interessant, nur die szenischen Sequenzen, in denen Messners Familienleben dilettantisch nachgespielt wird, trüben das Bild. Da wären besser noch Freunde und Verwandte zu Wort gekommen, wie Messners Bruder Helmut: Der renommierte Psychologe kann das Phänomen Reinhold am einleuchtendsten erklären.

KURIER-Wertung: *** von *****

INFO: D 2012. 108 Min. Von Andreas Nickel.

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