Auf einen Cappuccino mit Otello

José Cura als Otello
Eine enttäuschende Neuproduktion der Oper von Giuseppe Verdi.

Also, das war ja eine gemütliche Premiere. Dunkel genug auf der Bühne, dass der eine oder andere ruhig ein Nickerchen hätte machen können. Derart sympathische Sängerinnen und Sänger am Werk, dass man am liebsten mit dem venezianischen Mohren gleich auf einen Cappuccino ins berühmte Caffé Florian gegangen wäre und mit Jago am Abend dann zum Dinner. Dazu süßliche Klänge aus dem Graben.

Giuseppe Verdis "Otello" bei den Osterfestspielen Salzburg: die ideale Produktion, wenn es darum geht, niemanden zu verstören, durch keinerlei Interpretationsversuche aufzufallen und einfach nur Wohlbefinden zu erzeugen. Opera delectat.

Von der Dramatik des Shakespeare-Stoffes bekommt man wenig mit. Die Intrige des Jago wirkt gefährlich wie ein Bubenstreich. Der Mord an Desdemona passiert fast beiläufig, im Zuge einer heftigen Umarmung. Und dass Otello danach nur an einer Mauer lehnt, während er über das tödliche Spiel mit seiner Eifersucht aufgeklärt wird und Desdemona wieder aufsteht und mit einem Todesengel abzieht, wirkt beinahe satirisch.

Die Regie

Diese Inszenierung von Vincent Boussard ist die Negation einer Analyse oder einer präzisen Zeichnung der Figuren. Sie bleibt an der Oberfläche und ist pure Bebilderung – dass der Bühne ein leuchtender Rahmen verpasst wurde, passt zum musealen Zugang.

Immerhin gibt es einige hübsche optische Effekte, wenn etwa gleich zu Beginn, beim Sturm, ein durchsichtiger Vorhang zum Segel wird und gleichzeitig eine Art überdimensionales Taschentuch der Desdemona (das ihr ja später zum Verhängnis wird) darstellt. Auch wie eine ganze Bühnenwand umkippt – die Peripetie in diesem Stück, der Glückswechsel, nach dem nichts mehr sein kann wie davor – ist gut gelöst. Ebenso wie das Zerbrechen des Untertellers einer Kaffeetasse, mit der Otello über die Bühne schreitet: Scherben, die sich nicht mehr kitten lassen. Aber es ist bei diesem Regieansatz halt nur der Unterteller.

Die Kostüme wurden von Christian Lacroix entworfen, was ebenso manifestiert, dass es um Ausstattung und weniger um Inhalte geht.

Wäre all das etwas lustiger, könnte es eher "Otello darf nicht platzen" sein – so wurde schon zur Pause in Anspielung auf die Komödie von Ken Ludwig gespottet. Dass jedoch auch der englische Originaltitel dieses Stückes – "Lend Me a Tenor" – zum Abend gepasst hätte, wäre eine Unterstellung.

Die Sänger

José Cura ist nach wie vor ein Sänger, der bis an seine Grenzen geht (auch wenn sich diese etwas verschoben haben), er hat Italianità in seiner Stimme, singt einige schöne Kantilenen. Er war jedoch zumindest bei der Premiere bezüglich Intonation nicht immer präzise und musste sich über die hochdramatischen Passagen hinwegretten wie aus einem Seesturm. Als Darsteller ist er intensiv, man wird jedoch das Gefühl nicht los, dass das weniger einem logischen Regiekonzept entspringt als seiner Persönlichkeit. Er ist als Otello ein Grübler, ein Intellektueller, fast ein Weiser in André-Heller-Optik. Er spielt auch nicht mit Blackfacing. Im ersten Teil trägt er ein weißes, im zweiten ein schwarzes Hemd. Man sieht ihm gerne zu, es könnte aber ebenso gut ein anderes Werk sein.

Ursprünglich hätte Johan Botha diese Tenorpartie singen sollen, er musste jedoch krankheitshalber ebenso aussteigen wie Dmitri Hvorostovsky als Jago. An dessen Stelle ist Carlos Álvarez der intrigante Fähnrich, der mit prachtvollem Timbre und ausreichend Kraft besticht – man denkt jedoch bei seiner schönen, sensiblen Interpretation eher an einen Arienabend als einen Opernkrimi.

Dorothea Röschmann ist eine gute Desdemona, die das "Weidenlied" zart und berührend gestaltet, fallweise aber zu schrill klingt. Benjamin Bernheim ist ein erstklassiger Cassio, Georg Zeppenfeld ein luxuriös besetzter Lodovico. Seriös agieren Christa Mayer (Emilia), Bror Magnus Todenes (Rodrigo) und Csaba Szegedi (Montano). Mächtig tönt der Staatsopernchor aus Dresden.

Das Dirigat

Leider bleibt sogar Christian Thielemann mit der Sächsischen Staatskapelle nur an der Oberfläche. Auch sein "Otello" ist geschönt, zu wenig dramatisch, nicht einmal sonderlich präzise, dafür klanglich prachtvoll. Man denkt eher an eine Mischung aus Puccini und Strauss als an dieses Verdi’sche Meisterwerk. Zum Cappuccino liefert das Orchester den Milchschaum.

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