"Attack The Block"-Aliens vs. Gemeindebau

"Attack The Block"-Aliens vs. Gemeindebau
Filmstarts: In "Attack The Block" greifen Aliens den Gemeindebau an + "The Guard" hat herrlich schlechte, irische Laune + In "The Debt" werden Rechnungen beglichen

Eines vorweg: Dies ist zweifellos der beste Film, der je über sozialen Wohnbau gedreht wurde. Neonröhren erleuchten Abschnitt für Abschnitt die dunklen, kahlen Gänge; vom Dach fluten Scheinwerfer die Fassade. Und wenn der Aufzug in den achten Stock fährt, sieht es aus, als würden jeden Moment die Klingonen hereingebeamt werden.

Ninjas des Sozialbau

Der Gemeindebau, oft als Inbegriff von Tristesse dargestellt und nicht wegzudenkendes Urbetongestein des sozialkritischen Films: hier sieht er glatt aus wie ein Raumschiff. Wären da nicht die Bewohner des Blocks - eine Teenager-Gang aus sogenannten Hoodies (Kapuzenträgern) - man würde darauf warten, dass Stiege V bis XI jeden Moment abheben.
Das hat natürlich seinen guten Grund. Wenig später werden hier, im Süden Londons, Aliens in Form von "big alien gorilla-wolf motherfuckers" mit großartigen, grässlichen Reißzähnen den Gemeindebau angreifen.

Und jene fünf jungkriminellen Bandenmitglieder zwischen Drogenkarriere und Handtaschenraub dürfen sich damit über ihr Klischee erheben. Sie nehmen den Kampf auf - gegen Aliens, die eigentlich so sind wie der Ruf, der den Hoodies vorauseilt: gewalttätig, brutal, asozial und in Revierkämpfe verstrickt. Natürlich assoziiert man sie sofort mit den jüngsten Straßenschlachten in England.

Regisseur Jos Cornish, bisher bekannt als britischer TV-Comedian, spielt in seinem Regiedebüt gekonnt und gekonnt witzig mit alten Versatzstücken des Sci-Fi-Kinos und interpretiert sie neu.

Die Kids on the Block werden mit ihren Fahrrädern und Mopeds, Baseballschlägern und Samurai-Schwertern zu modernen Ninjas des Sozialbaus; die bösen Buben zu Helden
der Straße, die bereit sind, sich für das Allgemeinwohl zu opfern. Und wenn man gedacht hat, dass nach Joe Dantes "Gremlins" oder Gigers "Alien" kaum ein cooler Außerirdischer mehr erfunden werden kann, beweist Cornish auch hier das Gegenteil: Die haarigen Wölfe (gespielt von Menschen) sind höchst eindrucksvoll, auch dank ihrer grün fluoriszierenden Zähne, und machen den Film zu einem echten Reißer. - Veronika Franz

KURIER-Wertung: ****
von *****

INFO: SCI-FI, 2011. 88 Min. . Von Joe Kornish. MIt Jumayn Hunter, John Boyega.

"The Guard" - So herrlich schlechte Laune

"Ich weiß nicht: Sind Sie jetzt so verdammt dumm oder verdammt smart?"
Ja, Fragen über Fragen und viele davon unbeantwortbar tiefenphilosophisch. Nietzsche wird zitiert und Gogol, aber auch der gute Goofy (Ja, es ist ein wahres Fest der Dialoge).
Letzteren, Goofy nämlich, liebt er besonders: Gerry Boyle, jener ältere, untersetzte, irische Provinz-Polizist, der hier im Mittelpunkt steht und sich zu Hause gerne an der Unterhose kratzt. Wegen eines internationalen Drogenschmuggels wird ihm ein junger, smarter, schwarzer FBI-Agent zur Seite gestellt. Den begrüßt er auch gleich mit den Worten: "Ich dachte: Schwarze sind Drogendealer?"

Später wird er dann sagen: "Was wollen Sie von mir? Rassismus gehört zu meiner Kultur."
Brendan Gleeson (man kennt ihn als "Mad-Eye" Moodie in "Harry Potter") spielt diesen Cop, den die Gangster bewundern und der lautstark seine heiße Schokolade schlürft, während man versucht, ihn zu schmieren. Aber lieber trinkt er ohnehin Whisky, und Bestechen kommt für ihn nicht infrage.

Brendan Gleeson ist es auch, der aus einem guten (ziemlich coolen und allzu kalkulierten) Film von John M. McDonagh (der Bruder des Regisseurs von "Brügge sehen und ... sterben?" übrigens) doch noch einen wirklich guten Film macht.

Mit geballter Wucht an trockenem Humor nimmt er seiner Provinzfigur an Lächerlichkeit und gibt ihr dafür Ambivalenz und Würde. In "The Guard - ein Ire sieht schwarz" geht es weniger um den Plot als vielmehr um das Wunderbare am Wesen der Provinz. Und so hält der Film am Ende äußerst unterschätzte Eigenschaften löblicherweise hoch: Renitenz, schlechte Laune, Dickköpfigkeit und Freude (auch an höchst unvernünftigem Vergnügen).
- Veronika Franz

KURIER-Wertung: ****
von *****

INFO: THRILLER, IRLAND 2011. 96 Min. Von John Michael McDonagh. Mit Brendan Gleeson, Don Cheadle.

"A Tender Son" - Frankenstein ist Regisseur

Man kennt es aus dem Theater: das Frankenstein-Projekt des ungarischen Regisseurs Kornél Mundruczó wurde äußerst erfolgreich im Jahr 2009 bei den Wiener Festwochen präsentiert. "A Tender Son" ist nun die (allerdings weniger erfolgreiche) Filmversion davon:
Eine Modernisierung von Mary Shelleys klassischem Frankenstein-Stoff, die als Vater-Sohn-Tragödie daherkommt.

Ein Ausreißer aus dem Waisenhaus sucht da nach seiner Mutter und kommt in einen labyrinthischen Wohnbau, in dem gerade Filmdreharbeiten stattfinden: Er landet beim Casting, der Regisseur (Mundruczó selbst) entpuppt sich als sein Vater - und der vernachlässigte Jugendliche schließlich als Mörder und Monster.

Der Film versucht eine Reise in die Finsternis der Herzen. Doch so labyrinthisch wie der Hauptschauplatz ist auch Mundruczós prätentiöses Kunsthandwerks-Kino, das nicht so recht berühren will. -V.F.

KURIER-Wertung: *** von *****

INFO: DRAMA, HU/Ö 2010, 105 Min. Von Kornel Mundruczó. Mit Kitty Csikos, Rudolf Frecska.

"The Debt - Eine offene Rechnung" - Geschichte zum Mitzittern

Drei Mossad-Agenten sollen im Ost-Berlin der Sechzigerjahre einen NS-Kriegsverbrecher nach Israel entführen. Sie scheitern, der Nazi-Arzt kann entkommen. Die drei beschließen, das Geheimnis ihres Scheiterns für sich zu behalten. Und werden doch nach 30 Jahren davon eingeholt.

Großartiges Schauspielerkino - Helen Mirren und Jessica Chastain teilen sich die Hauptrolle der Agentin Rachel Singer mit sichtlicher Freude - und Spannung bis zur letzten Minute bietet dieser Thriller auf zwei Zeitebenen. Man sollte ihn nicht versäumen. - S. Lintl

KURIER-Wertung: **** von *****

INFO: SPIONAGETHRILLER, USA 2010. 114 Min. Von John Madden. Mit Helen Mirren.

KINO IN KÜRZE

"One Way Trip 3D"
Ein Schweizer Horrorfilm, dessen Figuren schon farblos sind, bevor sie sterben.
Junge Städter werden - wie originell - wieder einmal im Hinterland von Einheimischen angegriffen. Uninspiriert und öde präsentiert sich hier einer der ersten europäischen 3-D-Filme überhaupt. - PV

KURIER-Wertung: ** von *****

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