Aber geht das im Opernbusiness? Berühmtheit in diesem Genre ist doch ein forderndes Geschäft.
Ich hatte dazu immer eine andere, eigene Beziehung. Ich habe nie etwas gemacht, um berühmt zu bleiben, im Gespräch zu bleiben. Und trotzdem habe ich alles in dieser Branche erreicht, was ich erreichen wollte. Aber es braucht Raum für Kreativität. Wenn Sie eine Sache nach der anderen tun, wird dieser Raum eng, dann verliert sich die Kreativität.
Sie sind bekannt dafür, sich lange vorzubereiten, etwa monatelang auf die „Salome“ mit Franz Welser-Möst.
Diese Zeit habe ich nicht mehr – ich singe schon im Jänner die nächste, die „Norma“, eine der schwierigsten Rollen für Sopranistinnen. Ich kann nicht einfach sitzen und mich vorbereiten – ich habe zwölf Millionen Dinge dazwischen zu tun. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit.
Aber mit der Elisabetta haben Sie schon eine lange Geschichte.
Ja, diese Musik kenne ich, seit ich ein Kind bin, vielleicht sogar länger (lacht), denn schon meine Eltern haben dies gesungen.
Elisabetta ist ja im „Don Carlo“ nicht gerade in einer angenehmen Situation – verheiratet mit einem älteren Mann, begehrt von dessen Sohn. Sie wird oft als eine Leidende interpretiert, ist sie das?
Kein Komponist, kein Autor würde etwas schreiben, das nur von einer leidenden Person handelt. Da muss es mehr geben als ein weibliches Opfer.
Auch, weil die Story ja ins Heute versetzt wird?
Wenn wir in einer zeitgenössischen Produktion sind, versuche ich nie, einfach die klassische Figur zu spielen, weil es nicht funktioniert. Elisabetta musste aus politischen Gründen den Vater von Don Carlo heiraten. Wenn wir sie aber als eine Wissenschaftlerin in einem Kostümmuseum sehen, die mit dem Sohn zusammen war und dann den Vater geheiratet hat, ergibt das eine andere Frau in einer anderen Geschichte. Man muss natürlich die Dinge respektieren, die geschrieben sind. Aber ich versuche, die Erzählebenen zu kombinieren, mit all den Gefühlen und dem, was beide Erzählungen verbindet, weil es sonst nicht funktioniert.
Heute muss kaum jemand aus Staatsräson oder politischen Gründen heiraten …
Naja, wenn Sie in ein Dorf in Armenien gehen … (lacht) Aber ja, für einen zeitgenössischen Menschen ist das schwierig zu verstehen. Auch ich bin keine Frau, die jemanden heiraten könnte, wenn mich jemand zu zwingen versuchte.
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass große Teile des Publikums solche Modernisierungen ablehnen. Wie geht es Ihnen damit, mit dem sogenannten Regietheater?
Ich bin ein Produkt des Regietheaters. Es würde mir schwerfallen, Teil einer wirklichen „Kostümoper“ zu sein – nicht dieser, obwohl hier die Kostüme eine große Rolle spielen, aber auf andere Art. Wir brauchen diese Frische, diese Änderungen, um junges Publikum zu gewinnen. Hätte es das alles nicht gegeben, wäre das Opernpublikum längst ausgestorben! Wir müssen diese großen Geschichten für neue Generationen neu erzählen. Aber eine dunkle Seite davon ist, dass wir wegen des Regietheaters an musikalischer Qualität verloren haben.
Warum?
Jeder will junge Menschen auf die Bühne bringen. Aber man kann nicht mit Mitte 20 die Butterfly singen! Das ist absolut unmöglich, ohne den Sängerinnen und Sängern zu schaden. Allgemein ist die musikalische Qualität in der Oper daher heute wirklich schlecht. Das macht mich sehr traurig. Wir müssen wieder diesen einzigartigen Klang dieser Kunstform zurückbekommen. Es wird an den Gesangsschulen viel weniger Bruststimme gelehrt als früher – obwohl die die Schönheit der Stimme viel natürlicher erklingen lässt. Die wahren Farben der Stimme liegen in der Bruststimme. Und es braucht diesen Ausdruck – man darf nicht immer nur „schön“ klingen, sonst kann man keinen Charakter entstehen lassen.
Sie singen nun auch Popmusik, warum?
Das ist wirklich gut und gesund für die Stimme! Auch die Elisabetta ist eine gute Rolle für meine Stimme, auch wenn sie in eigenartigen Tonarten geschrieben ist. Popmusik hilft mir, Gesang nicht nur aus einem Blickwinkel zu sehen. Ich habe Stimmtrainer für Popmusik gegoogelt (lacht). Und ich habe begonnen, es sehr zu genießen, ich singe mich mit Popmusik ein. Das ist etwas anderes, als dauernd zu lernen. Wenn ich das alles nicht tue, dann genieße ich auch die Stille.
Sie sind nun nach Wien gezogen, stimmt’s?
Ja. Meine Tochter geht hier in die Schule. Die Stadt ist nun meine Heimat, und ich bin sehr, sehr glücklich. Fünf Jahre lang hatte ich keinen Ort, den ich mein Zuhause nannte. Insbesondere mit einem kleinen Kind ist das sehr schwierig. Es ist ein neues Kapitel in meinem Leben.
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