Ansteckend
Nun aber beherrschen die Narren das Gespräch, den Tonfall, die Themen dort, wo die Menschen ihre Online-Zeit verbringen: in den sozialen Medien.
Dort funktioniert das Extreme, das extrem Blöde und Inhumane besonders gut – und steckt viel mehr Menschen an, als uns lieb sein kann. Und nicht nur das: Viele Versprechen der Digitalisierung haben sich inzwischen in Luft aufgelöst (wo ist mein selbstfahrendes Auto?) oder ins Gegenteil verkehrt.
Kein Witz: Das Internet sollte die Welt demokratischer machen.
Schauen Sie sich mal um!
Das weiß man gerade beim Linzer Festival, das sich den fatalen Mechanismen des Digitalen immer wieder auch kritisch genähert hat.
Ein Gegenmittel zur Desinformationsseuche nun ist, die Dreh- und Angelstellen der digitalen Welt mit Gescheitem zu füllen. Praktischerweise tut die Ars Electronica genau das seit vielen Jahrzehnten.
Ein wenig weniger praktischerweise fällt ihr angesichts der prekären Lage, in der wir aktuell sind, dazu aber auch nicht viel anderes ein als bisher. So kann man auch heuer wieder so zirka jene Projekte sehen, die man in den vergangenen Jahren sehen konnte: Man kann Pflanzen von der Ferne zum Wachsen bringen, sich die Roboterversion von Minimal Music anhören, mit herrlicher Aussicht über Linz ein elektronisches Hörspiel genießen, die zusammengebastelten Installationen junger Talente anschauen.
Es gibt, natürlich, viel Spannendes, und man muss sagen: vieles von der richtigen Sorte Narretei. Ein Projekt in den Ausstellungen in der Kepler-Uni rechnet 2417 Quintillionen Engel auf einen Stecknadelkopf drauf. Ein anderes führt erschreckend vor Augen, wie weit Videos schon manipuliert werden können: Richard Nixon hält hier im erstaunlich glaubhaften Computervideo jene Rede, die er vorbereitet hatte, falls die erste Mondlandung fantastisch schief gegangen wäre, aber nie gehalten hat.
Ein wesentlicher Faktor der Ars-Atmosphäre fehlt bedauerlicherweise: Der Laptop tragende, schwarz gekleidete internationale Computernerd, der sonst mit Beginn der Ars in Linz einfiel. Und der gerade auch in Zeiten eines Lokalwahlkampfes, der sich den Plakaten nach um Sachen wie Heimat, Sprache (man meint: die eigene!) oder Ausgrenzung dreht, eine willkommene Auflockerung wäre. Wegen der Pandemie aber wurden diese freundlich ausgeladen und von der Ars mit „digitalen Gärten“ an verschiedenen internationalen Locations versorgt. Schade.
Vieles des in Linz Gezeigten ist jedenfalls wieder das, was passiert, wenn ganz viele Ideen, Theorien und wissenschaftliche Forschungsinteressen durch das Nadelöhr einer künstlerischen Umsetzung gequetscht werden.
Man beschäftigt sich mit essbarer Erde, von künstlicher Intelligenz aufgespürten Formen am Sternenhimmel – schau, ein Frosch! – und sieht wie medizinische Vorzeigeobjekte eingelegten Robotern beim Eingelegtsein zu. Man redet, hört Musik und schaut auf jene Orte im Digitalen, die uns vielleicht weiterbringen können. Okay, die digitale Welt (und damit unsere) wird das alles nicht retten. Aber es macht sie zumindest nicht blöder, sondern klüger.
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