Architektur für die Hautevolee
Es scheint gut zu laufen für Daniela Enzi. Sie ist Geschäftsführerin der EG-WertInvest GmbH des Developers Michael Tojner, der auf dem Areal Heumarkt/Eislaufverein unter anderem einen 66,3 Meter hohen Turm mit Luxuswohnungen errichten will. Mitte Dezember befürworteten Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und seine grüne Stellvertreterin Maria Vassilakou das Projekt. Es gab und gibt zwar eifrig Proteste, darunter von der Architektenkammer, aber Enzi darf sich über erstaunlich viel mediale Unterstützung freuen.
Dieser Tage machte sie "auf zwei kürzlich erschienene redaktionelle Berichte" aufmerksam. Der eine erschien auf der Website von Kulturpool. Es handelt sich dabei um ein vom Kanzleramt und mehreren Ministerien finanziertes "Portal zu Kunst, Kultur und Bildung". In dem Beitrag rühmt Wolfgang Reiter die Pläne des "renommierten brasilianischen Architekten Isay Weinfeld".
Haben Sie vor dem "Heumarkt Neu"-Projekt schon einmal von Weinfeld gehört? Dem Autor dieses Artikels war der Name völlig unbekannt. Es gibt nur einen fünfzeiligen Wikipedia-Eintrag – auf Portugiesisch. Über Zaha Hadid hingegen kann man sich ellenlang in 60 Sprachen informieren. Und im Ranking von BauNetz wird Weinfeld nicht einmal gelistet. Laut Standard zählen zu dessen Auftraggebern "die brasilianische Hautevolee, Schönheitschirurgen" und der Flipflop-Produzent Havaianas.
In seinem Text macht Reiter sich über die "Stadtbildschützer" lustig, die mit dem "Canaletto-Blick" (vom Belvedere in Richtung Innenstadt) argumentieren, der nicht zerstört werden dürfe. Interessanterweise ist "Abgott Canaletto" aber kein "redaktioneller Beitrag", wie Enzi behauptet: Die Redaktion distanziert sich gar vom "kritischen Kommentar", der "ausschließlich die Ansichten des Autors" spiegle.
Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen, ist dennoch erbost. Denn wie könne das Kulturministerium, das auf die Einhaltung der Weltkulturerbe-Kriterien zu achten habe, einen Beitrag veröffentlichen, der süffisant gegen die Richtlinien argumentiert? Zinggl brachte daher eine parlamentarische Anfrage an SPÖ-Kulturminister Thomas Drozda ein.
Das Beharren auf die schöne Aussicht – nichts anderes heißt "Belvedere" – und das Pochen auf den Weltkulturerbe-Status sind zudem nur Akte der Verzweiflung gegen eine Politik, die ihre Grundsätze verraten hat.
Erinnern wir uns zurück: Mitte der 1990er-Jahre lehnte Häupl den schlanken, von Laurids Ortner sehr fein gestalteten Leseturm ab: Er sei, sagte er damals, "nicht Ausdruck sozialistischer Kulturpolitik, sondern Schrott".
Der Leseturm hätte ein 56 Meter hohes Zeichen des Museumsquartiers und für alle Menschen frei zugänglich sein sollen. Mit dem zehn Meter höheren Tojner-Turm hingegen haben die Sozialdemokraten kein Problem, obwohl er nur Superreichen vorbehalten bleibt: Am Donnerstag lobte die SPÖ das Projekt im Gemeinderat über die Maßen. Warum?
Der in Wien tätige Architekt und Architekturkritiker Otto Kapfinger zog aus Protest gegen die gefügige Politik die Konsequenz: Er schickte Vassilakou das Silberne Ehrenzeichen "für Verdienste um das Land Wien" zurück, das er 2015 aus ihrer Hand erhalten hatte. Respekt.
Kommentare