Antonio Banderas als kühler Frankenstein

Antonio Banderas als kühler Frankenstein
Filmstarts: Neuer Almodóvar-Film "Die Haut, in der ich wohne" + In "Adams Ende" läuft der Beziehungs-Countdown + Elmar Wepper in "Dreiviertelmond"

Antonio Banderas ist in das Kino-Universum seines spanischen Entdeckers Pedro Almodóvar zurückgekehrt. Als eine Art Neo-Frankenstein.
Erstmals nach 21 Jahren arbeitete er nun wieder mit jenem Regisseur zusammen, der ihm in den 80er-Jahren zu Weltruhm verholfen hat.
Und spielt dabei die beste Rolle seit Langem.

Bizarre Experimente in einer abgelegenen Schönheitsklinik

Ungewohnt kühl und distanziert inszeniert der sonst so emotionsvolle Almodóvar seinen Star als einen gefühlsstarren plastischen Chirurgen, der in einer abgelegenen Schönheitsklinik bizarre Experimente unternimmt. Banderas als Doktor Ledgard hat nur ein deklariertes Forschungsziel: eine künstliche, widerstandsfähige Haut für Menschen zu erschaffen.

Allerdings befindet sich nur eine einzige Patientin als Versuchskaninchen in seiner Obhut und wird von ihm rund um die Uhr bewacht. Bekleidet mit einer Art Ganzkörper-Strumpfmaske, die sich wie eine zweite Haut um ihren Körper legt, führt die schöne Gefangene ein Leben zwischen Yoga-Übungen und Stoff-Bastelarbeiten.
Basierend auf einem Krimi des Franzosen Thierry Jonquet erzählt Almodóvar die fesselnde Geschichte eines fanatischen Wissenschaftlers mit der Krassheit des Melodrams, den trashigen Effekten billigen Horror-Kinos und der medizinischen Kälte eines auf Hochglanz polierten Rache-Thrillers.

Die verschlungenen Handlungspfade reichen in die Vergangenheit des Chirurgen zurück. Vor Jahren trug seine Frau schwere Brandverletzungen von einem Autounfall davon und starb wenig später. Auch die gemeinsame Tochter schied gewaltsam aus dem Leben - lauter Motive, die Almodóvar in geschickten Zeitsprüngen nach und nach mit der Gegenwart verschränkt und auf eine fantastische Pointe zulaufen lässt.

Der Horror entfaltet sich dabei nicht, wie beim klassischen Frankenstein-Mythos, innerhalb düsterer Gewölbe, sondern bei kaltem Tageslicht und in metallenem, transparent gehaltenem Designer-Umfeld. Almodóvars schräges, "queeres" Kino erhält einen Hauch von Hitchcocks "Vertigo" und "Rebecca" und gefriert zu einem kalten Melodram im Reich der Toten. Banderas' zerbrechliche Schönheit nimmt sich darin gleichermaßen grausam und verletzlich aus, sein Verhältnis zu seiner seltsamen Patientin als mysteriös und geisterhaft.
Und dass die Figuren nicht unbedingt die sind, die sie zu sein scheinen - das versteht sich dabei fast von selbst.

KURIER-Wertung: **** von *****

INFO: DRAMA, E 2011. 125 Min. Von Pedro Almodóvar. Mit Antonio Banderas.

"Adams Ende" - Countdown in den Wahnsinn

Bei Adam und Anna läuft der Beziehungs-Countdown: das Pärchen zickt sich an, der Sex wird immer seltener. Beim gemeinsamen Urlaub mit Freunden beobachtet Adam eifersüchtig die aufkeimende Liebesgeschichte zwischen seinem alten Kumpel Conrad und der hübschen Carmen. Doch dann beginnen auch die frisch Verliebten plötzlich zu streiten - und alles kippt.

Der junge, steirische Regisseur Richard Wilhelmer erzählt in seinem überaus bemerkenswerten Spielfimdebüt von den Beziehungsproblemen vier junger Menschen aus dem Kreativ-Milieu in Berlin. Besonders Robert Stadlober brilliert dabei als zunehmend pathologischer Adam, dessen innere Gefühlsverwirrungen sich in Film-Genre-Wechseln niederschlagen: Denn was als realistische Sozialstudie urbaner Zeitgenossen anfängt, schlägt plötzlich Haken ins Surreale und steigert sich zum bluttriefenden Mörder-Mystery.

KURIER-Wertung: **** von *****

INFO: DRAMA, Ö/D 2011. 81 Min. Von Richard Wilhelmer. Mit Robert Stadlober, David Winter, Paula Kalenberg.

"Dreiviertelmond" - Batzweich unter dem Panzer

Dass er großartig spielen kann, bewies Elmar Wepper schon in Doris Dörries "Kirschblüten Hanami". Als Taxifahrer, der zum unfreiwilligen Betreuer eines kleinen Türken-Mädchens wird, zeigt er hier erneut, was in ihm steckt: ein batzweicher Kerl unter einem Panzer aus Grant. Wie Wepper sein Herz an das Mädchen verliert und damit neuen Sinn findet, ist einfach schön. - S. Lintl

KURIER-Wertung: ****
von *****

INFO: DRAMA, D 2011. 94 Min. Von Christian Zübert. Mit Elmar Wepper, Mercan Türkoglu.

KINO IN KÜRZE

"Gekaufte Wahrheit"
Klassische Aufdecker-Doku zur Gentechnik: Die Machenschaften zwischen Agrarkonzernen und Forschung stehen am Pranger. Niederschmetternd vor allem, dass der Glaube an eine souveräne Wissenschaft offenbar Illusion ist . - V. F.

KURIER-Wertung: *** von *****

"Wie ausgewechselt"
Braver Familienvater tauscht den Körper mit seinem besten Freund, einem lebenslustigen Single, und ist darüber nur bedingt glücklich: Die US-Komödie mit Jason Bateman und Ryan Reynolds ist ideal für graue Herbsttage. - SL

KURIER-Wertung: *** von *****

"Atemlos - Gefährliche Wahrheit"
"Twilight"-Teenie-Star Taylor Lautner zeigt sein hübsches, wenn auch nicht übermäßig ausdrucksstarkes Gesicht in praktisch jeder Einstellung dieses konventionellen Thrillers von John Singleton: Gerade noch ein normaler College-Schüler, gerät Launter plötzlich zwischen die Fronten der Geheimdienste. - as

KURIER-Wertung: *** von *****

"Ein Tick anders"
Ein Mädchen namens Eva Strumpf unterhält sich am liebsten mit Salamandern. Grund dafür: Sie leidet am Tourette-Syndrom, am Schimpfzwang. Nette Jugend-Komödie aus Deutschland, die ihre Thematik vielleicht einen Tick zu komisch-simpel behandelt. -as

KURIER-Wertung: **** von *****

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