Von Susanne Zobl
Dicht besetzte Reihen, ein Publikum, das zu vorgerückter Stunde ganz gebannt den verzerrten Tönen der Posaunen, der Streicher oder der Basstuba, die sich aus den vorderen Logen und vom Orgelbalkon des Goldenen Saals im Wiener Musikverein erheben, lauscht, erlebt man nicht oft.
Die Rede ist von „Ylem“, einer Komposition aus dem Jahr 1972 von Karlheinz-Stockhausen. Die uneingeschränkte Zustimmung für dieses atonale Werk, die sonst eher bei Festivals wie „Wien modern“ dieser Musik zukommt, ist der Programmierung des Intendanten Stephan Pauly zuzuschreiben. In der von ihm ersonnenen „Perspektiven“-Reihe lädt er Persönlichkeiten, die man auf einen ersten Blick nicht mit Musik in Verbindung bringt, dazu ein, Konzertreihen zu gestalten und zu kommentieren. In der aktuellen Ausgabe ist der österreichische Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger an der Reihe.
Musik sei für ihn lebenswichtig, so der Quantenphysiker. Er selbst hatte bereits als Kind das Geigenspiel erlernt. Zum Auftakt stellte er den Urknall ins Zentrum. Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ und Stockhausens „Ylem“, in dem von den Musikern der Big Bang nachgestellt wird.
Dass die Theorien zum Urknall eine Annahme seien, die sich irgendwann einmal ändern könnte, war in einem erhellenden Gespräch, das Zeilinger mit dem Dirigenten Martin Haselböck und Stephan Pauly führte, zu erfahren. Auch komplette Physik-Ignoranten, wie die Berichterstatterin, bekamen zumindest eine Ahnung davon, was es mit der Entstehung der Welt, des Lichts, der Zeit auf sich hat. Oder, dass Haydns „Schöpfung“ eigentlich die Natur beschreibt, wie man sie zu Lebzeiten des Komponisten gesehen hat.
Und die Quantenphysik? Die hat uns einen neuen Blick auf die Welt eröffnet. Denn da, gäbe es das herkömmliche Bild von Ursache und Wirkung nicht mehr. Die zentrale Frage: Was gibt einem das Recht, die Allmacht Gottes einzuschränken, erklärte Zeilinger mit einem Beispiel von Teilchen, deren Farben unterschiedlich wahrgenommen werden können. Zufall? Wer sagt einem, dass es keinen Zufall gibt? Eine Frage, die der Quantenphysiker, der auch das Konzert kommentierte, im Laufe das Abends stellte, ließ er dann im Raum stehen. Was ist Leben?
Haselböck öffnete einen neuen Blick auf Haydns Oratorium mit seiner Wiener Akademie. Den exquisit wortdeutlich intonierenden Singverein leitete er vom Hammerklavier aus mit Verve. Die Solisten, der Bass Florian Boesch, die Sopranistin Theresa Pilsl und Tenor Jan Petryka harmonierten und wurden wie auch das œsterreichische ensemble fuer neue musik œnm, das den Big Bang mit einem Gong im Fortissimo einleitete, bejubelt.
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