Anne Hathaway als Roald Dahls Oberhexe: Teufelszeh im Schuh
Hexen hassen Kinder. Für Hexen riecht ein sauberes Kind wie ein Stück Hundekot. Also grauslich. Deswegen wollen Hexen Kinder vernichten – schon wegen der Geruchsbelästigung.
Hexen erkennt man daran, dass sie Handschuhe tragen, unter denen sie drei fürchterliche Klauen verbergen. Ihre Glatzköpfe verstecken sie unter Perücken und Hüten. Und wie ihre Füße wirklich aussehen, die sie zu Tarnungszwecken in hochhackige Schuhe zwängen?
Besser nicht nachfragen.
Hexen hexen
Für einen kleinen afroamerikanischen Buben sind diese Informationen starker Tobak. Er bekommt sie von seiner Großmutter zu hören, die ihren Enkel vor der großen bösen Oberhexe warnt. Die lauert nämlich schon hinter der nächsten Ecke, hat anstelle einer Handtasche eine Schlange am Arm hängen und kann es gar nicht erwarten, den Buben in eine Maus zu verwandeln.
Robert Zemeckis, Regisseur von „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ und anderen Spezialeffektklassikern, hat Roald Dahls schaurigen Kindergrusel neu verfilmt und nach Alabama verpflanzt. Dort betreut Oscarpreisträgerin Octavia Spencer („The Help“) als patente Oma ihren verwaisten Enkel und versucht, ihn mit fröhlichem Motown-Sound aufzumuntern. Als die Hexengefahr immer größer wird, checkt sie mit ihm in einem Luxushotel ein, in dem ihr Cousin arbeitet. Leider findet aber ausgerechnet dort eine große Hexenkonferenz statt.
Albtraum für Kinder
Bereits Anjelica Huston hat in Nicholas Roegs kongenialer Dahl-Verfilmung von 1990 als furchterregende Oberhexe kleinen Kindern den Schlaf versaut. In der Neufassung setzt nun Anne Hathaway als The Grand High Witch alles daran, harmlosen Knirpsen albtraumartige Nächte zu bereiten.
Auf den ersten Blick sieht Hathaway aus wie in „Der Teufel trägt Prada“ – eine vornehme Lady, allerdings mit russischem Akzent. Doch kaum sind die magischen Damen unter sich, bricht der Hexenhorror los. Der Kiefer der Oberhexe beginnt sich auszurenken und zu einem höllischen Haifischgrinsen zu verzerren, das an die Grimasse von „Joker“ erinnert. Flugs wirft sie ihre spitzen Schuhe von sich und zeigt anstelle von fünf Zehen eine einzelne, widerliche Kralle. Mit diabolischem Gelächter bohrt die Oberhexe ihren Teufelszeh in den Boden und dreht dabei eine Pirouette.
Für kleine Kinder kein schöner Anblick, aber die entfesselte Anne Hathaway hat sichtlich Spaß dabei.
Mit geblähten Nüstern nimmt sie die Witterung des kleinen Waisenknabens auf, der sich im Raum versteckt hält: Der Verzauberung des Buben und seines Freundes in Feldmäuse steht nichts mehr im Wege.
Bis zum großen Hexen-Sabbat im Mittelteil von Zemeckis’ Fantasy-Horror blubbert die Handlung etwas schleppend vor sich hin. Dann allerdings reißt die Oberhexe den Film an sich – und mit der Transformation der Kinder in Nagetiere verwandelt sich alles in ein turbulentes Animationsspektakel. Die Mäusekinder toben durch die Hotelküche à la „Ratatouille“ und mischen den Hexen Gift in die Suppe. Diese explodieren eindrucksvoll wie die Knallerbsen – doch Roald Dahls Geschichte ist bis zur letzten Minute für Überraschungen gut. Sogar in Robert Zemeckis’ etwas blutleerem Remake.
INFO: USA 2020. 106 Min. Von Robert Zemeckis. Mit Anne Hathaway, Olivia Spencer, Stanley Tucci.
Filmkritik zu "Milla Meets Moses": Tödliches Happy-End
Die 16-jährige Milla ist unheilbar krank und hat nicht mehr lange zu leben. Sie trifft auf einen Drogendealer namens Moses, in den sie sich Hals über Kopf verliebt. Ihre gutbürgerlichen Eltern sind schockiert, doch Milla lässt sich bei der Wahl ihres Liebsten nichts dreinreden – dafür ist die Zeit zu kurz.
Milla Meets Moses
Die australische Filmemacherin Shannon Murphy hat mit ihrem exaltierten Regiedebüt einen Coming-of-Age-Film geliefert, der sich an den Grenzen des Genres reibt, ohne sie je zu sprengen. Sie rückt nicht nur die pubertierende Milla und ihre schäumenden Gefühle zwischen erster Liebe und Todesangst ins Bild, sondern auch die Eltern. Der Vater, ein renommierter Psychiater, hält seine depressive Frau mit Psychopharmaka im grünen Bereich, während er selbst beinahe unter der emotionalen Last zerbricht. Gleichzeitig sind alle bemüht, einen möglichst „normalen“ Alltag aufrechtzuerhalten.
Shannon Murphys Familienporträt ist weit von einem realistischen Krankendrama entfernt, hält sein Publikum kalkuliert mit halbironischen Kapitelüberschriften wie „Die Duschroutine“ bei Laune und federt die Tragik der Teenage-Lovestory mit dem Ehegeplänkel der Eltern ab. Die Gefühlswogen schlagen oft hoch und sorgen für aufrichtige Tränen, aber richtig weh tut es nie. seiMilla meets Moses.
INFO: AUS 2019. 118 Min. Von Shannon Murphy. Mit Eliza Scanlen, Ben Mendelsohn.
Filmkritik zu "Das schaurige Haus": Übersiedlung nach Kärnten als Kulturschock
Die Handlung des Films, der auf dem Jugendbuch-Bestseller von Martina Wildner basiert, wurde aus dem Allgäu nach Kärnten verlegt. Wohl weil der Regisseur ein Österreicher ist: Daniel Prochaska.
Das schaurige Haus
Er ist der Sohn von Andreas Prochaska. Warum dies erwähnenswert ist? Weil Daniel für seinen Vater Filme geschnitten hat, wie den Kino-Hit „Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott“ und die TV-Krimi-Reihe „Die Spuren des Bösen“. Als Regisseur konnte er wertvolle Erfahrungen sammeln. Wovon man sich bei diesem Film überzeugen kann.
Er erzählt vom sechzehnjährigen Hendrik, der mit Mutter und Bruder von Hannover nach Kärnten zieht. Der Ortswechsel ist dem Job der Mutter geschuldet, soll aber auch über den Unfalltod des Vaters hinweghelfen.
Für Hendrik bedeutet Kärnten einen Kulturschock. Die Einwohner sprechen einen unverständlichen Dialekt und sein Bruder hat unter dem windschiefen Dach der neuen Behausung Albträume. Kein Wunder. Erzählen doch die Nachbarn tagsüber, dass im alten Haus Morde passiert sind.
Aufgelockert wird der Nervenkitzel durch hintergründigen Witz. Aus dieser Mischung ergibt sich ein spannender Krimi, angereichert mit schaurig-schönen Landschaftsbildern.
Text: Gabriele Flossmann
INFO: Ö 2020. 100 Min. Von Daniel Prochaska. Mit Julia Koschitz, Inge Maux, Michael Pink.
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