Ja, die Netrebko ist eine vokal hinreißende Lady Macbeth. Ihr Sopran betört in allen Lagen, das samtene Timbre, die Registerübergänge sowie die Spitzentöne – da ist alles da, was man sich nur ersehnen kann. Dramatik inklusive. Berechtigte Ovationen.
Aber Netrebko weiß auch, dass die Oper „Macbeth“ und nicht „Lady Macbeth“ heißt. Und da die Künstlerin in dem italienischen Bariton Luca Salsi einen Mitspieler von Weltformat hat, war hier auch phänomenales Teamwork angesagt. Denn Salsi, der gegenwärtig eine Art Macbeth vom Dienst ist, singt und gestaltet diese diffizile Partie stimmlich und darstellerisch grandios. Er macht Machtstreben, Brutalität und Irrsinn in jeder Szene sichtbar– eine sensationelle, ebenfalls frenetisch gefeierte Leistung.
Aus dem übrigen, meist guten Ensemble ragt der britisch-italienische Tenor Freddie De Tommaso als markanter Macduff heraus. Dieser Mann ist im Ensemble und dabei ein purer Gewinn! Auch der Chor (Einstudierung: Thomas Lang) verdient nur Lob. RobertoTagliavini als Banco und Carlos Osuna als Malcolm ergänzen gut.
Dirigent Philippe Jordan und das (sehr philharmonische) Orchester der Staatsoper lesen Verdi als reines Psychodrama, das aber eineZeit braucht, um wirklich in Schwung zu kommen. Dann jedoch klingt es umso schöner und packender.
Bleibt noch die Inszenierung (?) von Barrie Kosky, in der auf fast jede (Inter-)Aktion verzichtet wird. In einem schwarzen, leeren Einheitsbühnenbild (von Klaus Grün-berg) passiert wenig bis gar nichts. Denn Kosky will Psychoanalyse und Wahnsinn in einer nicht näher verorteten Zeit darstellen, schafft dabei das eine oder andere ganz gute choreografische Tableau, ein bisschen Nacktheit muss sein. Meist aber wird bloß an der Rampe gesungen.
Alle Protagonisten sind in dieser Düsternis (es gibt zwei Lichtkegel) ganz in Schwarz gewandet. Nur bei ihrer Wahnsinnsarie darf Netrebko ein weißes Kleid tragen, und Salsi werden bei seinem Bühnentod die Federn gerupft. Denn Krähen sind bei dieser Arbeit zentral, sie dürfen auch auf zwei Stühlen – fast die einzigen Requisiten – sitzen. Vorsicht: Symbolik!
Am Schluss Jubel für alle Beteiligten; nur Regisseur Barrie Kosky kam gar nicht erst nach Wien und ließ seine Produktion lieber von Sylvie Döring einstudieren. Schade! Die Reaktion des Publikums wäre sicher überaus interessant gewesen.
Kommentare