Andres Veiel über "Riefenstahl": "Nazi-Vergangenheit ist ein Verkaufsargument"

Leni Riefenstahl kontrolliert ihr Aussehen für die Aufzeichnung zum Doku-Drama „Speer und Er“ von Heinrich Breloer (1999)
In seiner aufwendigen Doku zeigt Andres Veiel, dass Hitlers Lieblingsregisseurin („Triumph des Willens“) keineswegs nur Mitläuferin war, sondern Faschistin durch und durch – bis zu ihrem Tod

Die deutsche Journalistin und Produzentin Sandra Maischberger und der Dokumentarfilmemacher Andres Veiel („Beuys“) standen vor 700 Kisten mit Material. Der Nachlass der deutschen Nazi-Regisseurin Leni Riefenstahl, deren Propaganda-Filme wie „Olympia“ und „Triumph des Willens“ die NS-Ideologie verherrlichten, umfasste private Filmaufnahmen, Tagebücher, Mitschnitten von Telefonaten und unzähligen anderen Dokumenten. Noch niemand hatte sie bislang zur Gänze gesichtet. Andres Veiel montierte daraus das faszinierende Porträt „Riefenstahl“ (derzeit im Kino), in dem er zeigt, dass Riefenstahl keineswegs „nur“ die Mitläuferin war, als die sie sich nach dem Krieg gerne darstellte.

KURIER: Herr Veiel, Produzentin Sandra Maischberger ist an Sie herangetreten, um einen Film über Leni Riefenstahl zu montieren. Haben Sie gleich zugesagt oder gezögert?

Andres Veiel: Ich brauchte erst mal Bedenkzeit, weil ich ja gar nicht wusste, was in den 700 Kisten, die der Nachlass umfasste, eigentlich alles drin ist. Da hat sich dann gezeigt, dass es sich um 100.000 Fotos, Tagebücher, Kalender, 300 Ordner, und unzählige private unveröffentlichte Filme handelte. Ich wurde sehr schnell angefüttert, vor allem durch die persönlichen Dokumente, die Widersprüche aufgeworfen haben. So kommt beispielsweise die Gewalt, die sich durch ihren Vater erlebt hat, in ihren veröffentlichten Memoiren nicht vor, spielt aber in den Entwürfen eine sehr große Rolle. Sehr bald stellte sich für mich die Frage: Was hat sie aus dem Nachlass entfernt? Wo sind Lücken? Wo sind Leerstellen? Wie konstruiert sie ihre Legenden, wo fängt eine offensichtliche Verbreitung von Fake News an? Das hat mich interessiert, und zwar nicht im Sinne der moralischen Empörung, sondern im Sinne von: Wofür steht die Lüge? Warum lügt sie hier?

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