Andrea Berg: Durchhalteparolen am Scherbenhaufen

Andrea Berg: Durchhalteparolen am Scherbenhaufen
Ein Gespräch mit Andrea Berg ist eine spirituelle und therapeutische Angelegenheit. Es gilt: Immer schön positiv bleiben.

Andrea Berg blättert – sichtlich angetan – in einem Buch, das sie selbst entworfen hat. Zu sehen sind darin Fotos, neben denen tagebuchartige Eindrücke und kleine Zeichnungen zu finden sind. Es sind 192 Seiten, die ihren Fans einen persönlichen Einblick in das Leben des Schlagerstars liefern sollen. Beigelegt ist das als Notizbuch designte Sammelsurium der Fanbox ihres kürzlich veröffentlichten Albums mit dem Titel „Mosaik“. In diesem hat Andrea Berg aber auch Platz gelassen, damit ihre Fans Termine, Notizen und Gedanken hineinschreiben können.

In diesem Zusammenhang spricht die braun gebrannte Schlagerqueen, die zuvor gemeinsam mit ihrem Team in Florida an der neuen Tour gefeilt hat, im KURIER-Interview von den „Mosaiksteinchen“ des Lebens, die man im Buch dokumentieren kann. „Denn Erlebtes aufzuschreiben“, das wisse sie aus eigener Erfahrung, „tut gut“.

Andrea Berg: Durchhalteparolen am Scherbenhaufen

Bohlen und Bobo

Ihre schicken Sandalen hat Andrea Berg längst ausgezogen. Barfuß – und somit „mit Mutter Erde verbunden“ (Berg) – sitzt sie im Sommerkleid gut gelaunt auf der Couch in einer Suite eines Wiener Hotels. Sie hat Platz genommen, um mit Journalisten über ihr neues Werk zu sprechen. Für ihr 17. Studioalbum hat sich die deutsche Entertainerin zwei Jahre lang Zeit genommen und dafür mit 32 Komponisten zusammengearbeitet.

Darunter finden sich auch Namhafte wie DJ Bobo und Xavier Naidoo, der sich zuletzt immer wieder mit populistischen Aussagen ins Abseits manövriert hat. Mit ihm lässt sich Berg gar auf das Duett ein. In „Ich bin wegen dir hier“ spüren beide das Leben: „Fürchte dich nicht!“

Bedenken, weil Naidoo wegen diverser politischer Äußerungen ins Schussfeld geraten war, habe sie nicht.

Auch bei Dieter Bohlen, der auf „Mosaik“ ebenfalls vertreten ist, gab es trotz einiger zwischenmenschlicher Unstimmigkeiten im Vorfeld keine Berührungsängste. Im Gegenteil: „Man glaubt es kaum, aber ich habe mit Dieter über den Sinn des Lebens geredet.“ Entstanden ist daraus die tranige Durchhalte-Ballade „Du musst erst fallen“, bei dem der launige DSDS-Juror, der 2018 noch das Ende der Zusammenarbeit mit Berg verkündete, ein paar Zeilen beisteuerte.

Eine Ausnahme, denn normalerweise schreibt Berg ihre Texte ausschließlich alleine, was im Schlagerbusiness durchaus als besonders bezeichnet werden kann. Es ist, wenn man es im Managerjargon sagen müsste, ein USP (Alleinstellungsmerkmal) von Andrea Berg. Dass sie sich keine Worte von professionellen Textern in den Mund legen lässt, sei für die Schlagersängerin zwar emotional intensiv und fordernd, aber enorm wichtig, denn so könne sie manche Probleme besser verarbeiten. Dass die Zeilen quasi direkt aus ihrem Herzen stammen, steigert natürlich die Authentizität. Und davon kann man als Künstler ja nie genug haben. Dass das die Fans honorieren, freut wiederum Berg. Ein Musterbeispiel einer Win-win-Situation.

Andrea Berg: Durchhalteparolen am Scherbenhaufen

Scherbenhaufen

Noch eines scheint Berg von zum Beispiel Helene Fischer zu trennen: Sie will ihrem Publikum gar nicht die heile Welt vorgaukeln, die im Schlager gerne besungen wird. Denn das Leben sei wie ein Mosaik, ein Scherbenhaufen mit vielen Kontrasten. „Ein oranger Stein sticht erst dann hervor, wenn daneben dunklere liegen. Mosaik ist für mich eine Metapher für das Leben, das ja auch nicht immer nur Sonnenschein zu bieten hat.“ Aber am Ende siegt auch in ihren Songs stets das Gute. Immer schön positiv bleiben, empfiehlt die Rotmähnige, die auf „Mosaik“ einige Motivationsspritzen in Form von Songs verteilt: „Steh auf“, „Geh deinen Weg“, denn „Ab sofort wird gelebt“.

Aber muss sie sich nicht auch des Öfteren ärgern; über Menschen, die sie beleidigen, beschimpfen und ihr Dinge unterstellen? „Klar muss ich das. Aber wenn ich mich mal ärgere, mich irgendwo reinsteigere, hole ich mich da immer gleich wieder raus. Da kann ich mich selber therapieren. Für negative Schwingungen habe ich auch gar keine Zeit mehr. Ich bin jetzt 53 Jahre und will mich keine einzige Sekunde mehr mit irgendwelchen Lappalien herumärgern. Die größte Freiheit ist es, sich nicht mehr verbiegen zu müssen, sich nicht mehr verstellen zu müssen, nur damit man anderen gefällt. Das ist eine große Befreiung. Hören wir doch auf, Erwartungen hinterherzulaufen. Wir müssen im Jetzt leben, lebendig sein und jeden Augenblick genießen“, fordert Berg.

Das gilt übrigens auch für ihre Musik, die stets mit der Zeit gehen möchte: „Ich probiere gerne neue Sachen aus. Wenn du 26 Jahre lang ‚Hoch auf dem Kilimandscharo, da liegt im Sommer noch Schnee‘ singst, ist das zwar wunderbar, aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem man kleine Veränderungen vornehmen will. Und so haben wir angefangen, zumindest bei den Liveshows, den Sound etwas poppiger zu gestalten. Eine Show, ein Album, lebt ja auch von den unterschiedlichen Stimmungen. Man kann zu einigen Songs abtanzen, aber auch in dunklen Momenten des Lebens halt darin finden“, analysiert die Sängerin.

Wettrüsten

Die kommende „Mosaik“-Tour führt Andrea Berg auch nach Österreich. Bei ihrer Show setzt sie vorrangig auf ihre Musik, die die Konzertbesucher bewegen soll. „Dafür brauchen wir auch keine Raketen vom Dach schießen“, sagt sie und spricht damit das zunehmende Wettrüsten im Showgeschäft an.

Andrea Berg live: 3. Februar 2020 – Salzburg (Salzburgarena) / 14. Februar 2020 – Graz (Stadthalle) / 15. Februar – Wien (Stadthalle) / 16. Februar 2020 – Linz (Arena) / 6. März 2020 – Innsbruck (Olympiahalle).

Zur Person - Andrea Berg: Die 1966 als Andrea Zellen in Krefeld geborene Deutsche  ist seit über 25 Jahren im Geschäft.   Mit mehr als   15 Mio. verkauften Tonträgern zählt sie zu den Stars der Schlagerbranche. Nach wie vor war keine andere CD länger in den deutschen und österreichischen Charts als ihr „Best of“, mit der sie 2001 den Durchbruch schaffte: Rund sieben Jahre war das Album in den Charts.   Ihren „Heimathafen“, wie sie es selbst nennt, hat die mehrfache Echo-Preisträgerin  und Mutter einer Tochter im schwäbischen Aspach nahe Stuttgart gefunden. Mit ihrem zweiten Ehemann Uli Ferber betreibt sie ein Hotel und ein Ferien-„Dörfle“.

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