American Passages: Reise ins Herz Amerikas

American Passages: Reise ins Herz Amerikas
Ruth Beckermann, die renommierte Veteranin der österreichischen Doku-Szene, drehte einen Film über Obama-Amerika.

E xotisch sei sie gewesen, die Begegnung mit den Amerikanern, sagt Ruth Beckermann. Vielleicht überhaupt die exotischste Begegnung, die sie je mit einer anderen Kultur erlebt habe. Das lag vielleicht am Puritanismus; oder am amerikanischen Ethos, sich andauernd zu verbessern.

"Ich habe jedenfalls lange gebraucht, um mich darauf einzustellen", erzählt Beckermann im KURIER-Interview. Ihrer neuen, schönen Doku "American Passages" (Kinostart: 25. 11.), einer facettenreichen Reise in das Herz Amerikas, merkt man das anfängliche Befremden der Regisseurin freilich nicht an. Obwohl, wie Beckermann zugibt, sie in ihren früheren Doku-Arbeiten gern "das Schweigen der Menschen filmte, wenn sie eine Pause machen, wenn ihr Gesicht etwas anderes ausdrückt als ihre Worte".

Bei den eloquenten amerikanischen Interview-Partnern war das anders: "Das, was sie sagen und zeigen, das ist es. Da gibt es keine Zweideutigkeiten."

Wortreich erklärt der Vize-Direktor der fundamentalen, christlichen "Liberty-University", dass Gott Sex vor der Ehe verboten hat. Im Gegensatz dazu erzählt ausgerechnet im erzkonservativen Texas ein schwules Väter-Pärchen fachkundig von der Erziehung seiner adoptierten Kinder. Das berühmte US-Credo von persönlicher Freiheit - "es lebt und hat große Anziehungskraft".

Aber auch von den Auswirkungen der Finanzkrise legt "American Passages" beredtes Zeugnis ab. In Las Vegas etwa sieht man eine schluchzende Frau, die wütend ihre sieben Sachen zusammenpackt und ihr Haus verlässt, weil sie die Kredite nicht mehr zahlen kann: "Ich habe die Finanzkrise als großen Schock erlebt", erklärt die Regisseurin: "Während der Dreharbeiten sah ich ganze Straßen von leeren Häusern. Und
jetzt redet kein Mensch mehr davon."

Tea Party

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Das "Fortleben von Bush in der rechtskonservativen Tea Party", so Beckermann, sei ebenfalls im Alltag spürbar. Geradezu unheimlich in diesem Zusammenhang eine Szene, in der eine Tea-Party-Aktivistin anlässlich des Memorial Day - des Gedenktages für gefallene Soldaten - mit Inbrunst die US-Hymne singt und danach eine glühende Scheltpredigt über nachlässiges patriotisches Verhalten hält.

"Ich habe den Backlash gegen Obama sehr stark gespürt", sagt Beckermann: "Die weiße Noch-Mehrheit hat es nicht so gern, dass sie von einem schwarzen Präsidenten regiert wird."

Gleichzeitig sei das Trauma der Sklaverei in der US- Gegenwart massiv präsent - "ein Thema, das mich besonders interessierte, weil ich mich in meinen anderen Filmen stark mit dem Holocaust beschäftigt habe."

Insgesamt, resümiert Ruth Beckermann, "war es eine große Herausforderung, Amerika zu filmen", denn: "Amerika hat sich selbst schon sehr oft und ziemlich gut verfilmt. Aber der Vorteil ist: Auch die Zuseher kennen diese Bilder, und sie können das, was sie in meinem Film sehen, mit ihren eigenen Amerika-Bildern ergänzen."

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